Buch des Monats Juni 2018

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Friedrich Christian Delius
 
Delius: Die Frau, für die ich den Computer erfand

Beschreibung

von Elisabeth Schaber und Martin Skrodzki
„Wie oft zum Beispiel habe ich Ihnen das Gleitkomma erklärt, dreimal, zweimal, einmal? … Wirklich? Kein einziges Mal? Auch gut, dann lass ich das jetzt einfach mal weg […].“
Ein betagter Konrad Zuse gibt dem technisch unbedarften Ich-Erzähler ein Interview — gebannt auf sieben Tonbändern. Dabei muss sich der Interviewer einige Seitenhiebe des Alten gefallen lassen. Eine Vollmondnacht hindurch berichtet der Erfinder des Computers über sein Leben. Dies entfaltet sich wie ein langer Monolog, da die Fragen des Interviewers ausgelassen sind. Das Gespräch hat so nie stattgefunden, Autor Friedrich Christian Delius vermittelt dennoch — ausgehend von einem persönlichen Gespräch mit Zuse, einem Vortrag, Zuses Biographie und Zeitzeugeninterviews — einen spannenden überblick über das Leben und Wirken des deutschen Erfinders.
Beginnend mit ersten Versuchen und Konzepten des Computers entspannt sich die Geschichte der frühen Computerentwicklung in Deutschland. Der erste rein mechanische Prototyp entsteht auf dem elterlichen Wohnzimmertisch in Berlin-Kreuzberg. Für die A2 kommen in Ermangelung von Elektronenröhren bereits Relais zum Einsatz. Keine neuen, sondern „gebrauchte Telefonrelais, Altmaterialien“, denn die Ressourcen sind mit Beginn des Zweiten Weltkriegs knapp. Trotzdem kann die A2 Mitarbeiter der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt überzeugen und Zuses Entwicklung wird finanziell unterstützt. Die A3 ist dann die „erste frei programmierbare, vollautomatische, programmgesteuerte, binär arbeitetende Rechenmaschine“ — der erste Computer der Welt. Es folgt die abenteuerliche Flucht aus dem zerbombten Berlin über Göttingen bis ins Allgäu, wo der nächste Prototyp — die A4 — rund um das Kriegsende in einer Scheune eingelagert wird. Dies alles erzählt der alte Konrad Zuse keineswegs strikt chronologisch, sondern mit vielen Abschweifungen und Anekdoten.
Durchwebt ist der Worschwall Zuses von zwei wiederkehrenden Leitmotiven: zum einen Analogien seines Leben und seiner Person zu Goethes Faust. Wie diese berühmte Figur hat auch er einen rastlosen Forscherdrang und ist für seine Entwicklungen zu entsprechenden Opfern bereit. Zum anderen ist da die Liebe zu Ada Lovelace. Die Tochter Lord Byrons starb bereits 1852 mit 36 Jahren, gilt jedoch mit ihren Arbeiten zur Analytical Engine als Erfinderin der Programmierung. Zeit seines Lebens bleibt sie für Zuse Quelle der Inspiration, des Ansporns, aber auch des Trosts. Sie begleitet ihn bis in die Zeit seiner Firmengründung in Bad Hersfeld nach dem Zweiten Weltkrieg und durch die Zeit der späten Anerkennung seiner Leistungen.
Der Roman gibt einen unterhaltsamen Einblick in die immer noch eher unbekannte Geschichte des Computererfinders Konrad Zuse. Die Errungeschaften Zuses und Unterschiede zu den amerikanischen und britischen Computer-Entwicklungen werden herausgestellt, ohne mit technischen Details zu überfordern. Vielmehr kommt man der starken Persönlichkeit und den eigenwilligen Facetten von Zuses Charakter nahe. Gerade wenn vor Morgengrauen Gesprächsroutine einzufallen droht, überrascht die Geschichte mit einer Wendung, die das zuvor Gelesene in einem anderen Licht erscheinen lässt. Was bleibt, ist ein lebendiges Portrait, das keine Angst vor den Ecken und Kanten des biographischen Lebensweges hat und Details der Entwicklung des Computers beleuchtet.
 

Bibliografische Daten

Autor:Friedrich Christian Delius
Titel:Die Frau, für die ich den Computer erfand
Verlag:Rowohlt
ISBN:978-3499252396
Preis:8,99 €