Mathematiker des Monats Oktober 2014
Karl Weierstraß (1815-1897)
Karl Theodor Wilhelm Weierstraß wurde als ältestes Kind seines zum Katholizismus
übergetretenen Vaters, eines Sekretärs des Bürgermeisters von Ostenfelde im
Kreis Warendorf (Regierungsbezirk Münster), und seiner Mutter am 31. Oktober 1815
eben dort geboren. Die Mutter starb, als ihr ältester Sohn kaum zwölf Jahre alt
war. Nach nur fünfeinhalb statt der üblichen acht Jahre
verließ Weierstraß 1834 das katholische Gymnasium von Paderborn "als Bester
von allen".
Sein Studium der Kameralistik an der Universität Bonn brach er nach vier Jahren
ergebnislos ab. Daraufhin ließ er sich von 1839 bis 1841 an der Königlich
Preußischen Theologischen und Philosophischen Akademie in Münster zum
Gymnasiallehrer ausbilden, wo ihn Christoph Gudermann in Mathematik unterrichtete und
seine Examensarbeit über elliptische Funktionen im höchsten Maße lobte.
Weierstraß lernte das Gutachten erst 1853 kennen. Er wurde in Münster,
Deutsch Krone (dem heutigen polnischen Wałcz), Braunsberg (dem heutigen Braniewo)
Gymnasiallehrer.
Ohne Kontakt zur wissenschaftlichen Mitwelt arbeitete er gleichwohl an der Theorie
der Abel'schen Funktionen. Ein darüber 1854 veröffentlichter Aufsatz brachte
die Wende in seinem Leben. Die Universität Königsberg promovierte ihn noch 1854
ehrenhalber. Er erhielt Forschungsurlaub, wurde 1856 auf die erste mathematische
Lehrstelle am Berliner Gewerbeinstitut, einer Vorgängerinstitution der Technischen Universität Berlin, berufen, noch
in demselben Jahr als außerordentlicher Professor an die Berliner
Universität und zum ordentlichen Mitglied der Preußischen
Akademie der Wissenschaften in Berlin gewählt. 1861 erkrankte
er schwer, kehrte nicht mehr ans Gewerbeinstitut zurück, sondern wurde an der
Universität 1864 zum ordentlichen Professor befördert. Diese Stellung hatte er
bis zu seinem Tode am 19. Februar 1897 in Berlin inne.
Zusammen mit
Ernst Eduard Kummer und
Leopold Kronecker
begründete er im 19. Jahrhundert die überragende Stellung der Berliner
Mathematik in Deutschland. Weierstraß wurde zur wissenschaftlichen Autorität
ersten Ranges. Seine exakte Grundlegung der Analysis führte zur
sprichwörtlichen Weierstraß'schen Strenge. Über seine Seminare und
Vorlesungen zur Theorie der reellen und komplexen Funktionen, zur Variationsrechnung,
zur Differentialgeometrie übte er einen nachhaltigen Einfluss auf bis zu 250
Hörer aus, aus denen rund hundert spätere Hochschul-Professoren hervorgingen,
darunter
Georg Cantor, Hermann Amandus Schwarz,
Adolf Kneser und Hermann Minkowski.
Da Frauen zum Studium nicht zugelassen waren, unterrichtete er
Sofja Kowalewskaja
von 1870 bis 1874 privat. Er betreute 27 Dissertationen als Erstgutachter. Seine eigenen
Arbeiten, über die er in seinen Vorlesungen vortrug, führten zu bahnbrechenden
Ergebnissen in der Theorie der elliptischen Funktionen, in der Herausstellung der
gleichmäßigen Konvergenz, in der Algebra. Sein Name lebt im Titel des
außeruniversitären Forschungsinstituts WIAS (Weierstraß-Institut für
Angewandte Analysis und Stochastik) in Berlin-Mitte weiter.
Referenzen
[1] | Reinhard Bölling (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Karl Weierstraß und Sofja Kowalewskaja, Berlin, 1993 | |
[2] | Kurt-Reinhard Biermann: Karl Weierstraß, Ausgewählte Aspekte seiner Biographie, Journal für die reine und angewandte Mathematik 223 (1966), S. 191 - 220 |
Bildnachweis
Porträt | Lizenziert unter Public domain über Wikimedia Commons, Gemälde von Conrad Fehr | |
Tafel | André Ziesing, Berlin, siehe auch Gedenktafel für berühmte Schüler des Theodorianums in Paderborn |