Mathematiker des Monats März 2017
Konrad Zuse (1910-1995)
von
Horst Zuse
Am 12. Mai 2016 jährte sich zum 75sten Mal der Tag an dem Konrad Zuse seine funktionsfähige
Rechenmaschine Z3 im Jahr 1941 einer kleinen Gruppe von Besuchern in der Methfesselstraße 7
in Berlin-Kreuzberg vorstellte. Unbemerkt von der öffentlichkeit hatte Konrad Zuse damit seinen
Traum von der vollautomatischen Rechenmaschine erfüllt und das Zeitalter des Computers eröffnet.
Friedrich Ludwig Bauer hat dies
einmal so zusammengefasst: Zuse ist Schöpfer des ersten vollautomatischen, programmgesteuerten und
frei programmierbaren, in binärer Gleitpunktrechnung arbeitenden Rechenanlage. Sie war 1941 betriebsfertig.
Konrad Zuse (1910-1995), geboren am 22.6.1910 in Berlin, aufgewachsen in Braunsberg (Ostpreußen),
legte 1928 am Realgymnasium in Hoyerswerda sein Abitur ab. Er studierte dann bis 1934 an der
Technischen Hochschule
Charlottenburg, kündigte 1935 seine aussichtsreiche Stelle bei den
Henschel-Flugzeugwerken in Berlin und
teilte seinen verblüfften Eltern mit, dass er das Wohnzimmer benötige, um eine vollautomatische
Rechenmaschine zu bauen. Die Ursache für seinen spontanen Beschluss war die Vision, die stupide
Arbeit des Rechnens durch eine vollautomatische Maschine erledigen zu lassen.
Wie auch andere Pioniere der Entwicklung von automatischen Rechenmaschinen war Konrad Zuse über die
stupiden Rechnungen (hier im Bauingenieurwesen) schockiert. Humorvoll pflegte er oft zu sagen:
Ich war zu faul zum Rechnen.
Konrad Zuse wollte binär arbeitende Rechner bauen, sie sollten mit bistabilen Bauelementen arbeiten.
Nicht nur die Zahlen wollte er binär darstellen, sondern die gesamte Maschine sollte auf diesem
Prinzip (Aussagenlogik) arbeiten. Er entwickelte dazu ein leistungsfähiges binär arbeitendes
Gleitkommarechenwerk, welches erlaubte, sehr große und sehr kleine Zahlen mit hinreichender
Genauigkeit zu verarbeiten. Er konstruierte einen Speicher zur Speicherung beliebiger Daten,
entwarf eine Steuereinheit zur Steuerung des Rechners per Lochstreifen (auf dem das Programm
stehen sollte) und implementierte Ein- bzw. Ausgabeeinheiten im Dezimalsystem.
Seine erste Maschine Z1, die nach diesem Prinzip arbeitete, konstruierte er von 1936-1938.
Die Z1 war eine Maschine mit einem Speicher von 64 Worten mit je 22 Bits und den oben angegebenen
Komponenten. Die Z1 ist die erste programmgesteuerte Rechenmaschine der Welt, basierend auf der
binären Schaltungslogik und dem binären Gleitkommasystem. Die Finanzierung der Z1 erfolgte vollständig
aus privaten Mitteln. Die Eltern, die Schwester, Studenten des
Akademischen Vereins Motiv
und der Tischrechenmaschinenfabrikant Kurt Pannke unterstützten ihn um 1935.
Unzufrieden mit der Zuverlässigkeit der gewählten Bauelemente für die Z1 (Tausende von Blechen mit
der Laubsäge zurechtgeschnitten) entwarf Konrad Zuse das Gerät Z2 (1938-1939). Er verwendete das
Prinzip des mechanischen Speichers der Z1, setzte für das Festkommarechenwerk jedoch Telefonrelais
(800 Relais) ein. Die Zuverlässigkeit der Relaistechnik überzeugte Konrad Zuse, und er baute die Z3
vollständig aus Relais (ca. 600 im Rechenwerk und 1400 im Speicher). Die Maschine Z3, teilweise
gefördert durch die
Deutsche
Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL), wurde 1941 fertiggestellt und gilt
heute als der erste funktionsfähige, frei programmierbare, auf dem binären Zahlensystem
(Gleitkommazahlen) und der binären Schaltungstechnik basierende Rechner der Welt.
Die Rechenanlage Z4, deren Bau 1942 begonnen wurde und die bis 1945 in Berlin nicht mehr fertig
gestellt werden konnte, wurde als einzige Maschine vor der Zerstörung durch Bombenangriffe
gerettet. Der Rechner Z4 war eine Erweiterung der Z3. Sie wurde 1949 in Neukirchen (Kreis Hünfeld)
in Hessen restauriert und arbeitete ab 1950 für fünf Jahre erfolgreich an der
Eidgenössischen Technische Hochschule (ETK) in Zürich.
Sie war 1950 die einzige kommerziell eingesetzte programmgesteuerte Rechenanlage in Europa.
Mit seinem in den Jahren 1942-1945 (Endfassung 1945/46) in Hinterstein und Hopferau entwickelten
Programmiersystem, dem Plankalkül, wollte Konrad Zuse schwierige Aufgaben der Ingenieure,
wie z. B. aus dem Bauwesen, in Programme fassen. Sein Plankalkül enthielt die weit über das pure
Zahlenrechnen hinausgehenden Regeln des logischen Schließens der mathematischen Logik.
Im Plankalkül finden wir u. a. folgende Sprachkonstrukte: Zuweisungszeichen, mächtige hierarchische
Datenstrukturen, Datentypen wie Gleitkommazahlen, Festkommazahlen, komplexe Zahlen,
Unterprogrammtechnik, bedingte Anfragen, sieben verschiedene Schleifenarten
(u. a. die WHILE-Schleife), Listenverarbeitung, Relationen, Prädikatenkalkül, arithmetische
Ausnahmebehandlungen und sechzig Seiten Schachprogramme. (Es ist ein weit verbreiteter Irrtum,
dass der am 23. Oktober 2000 verstorbene
Claude Shannon die ersten Schachprogramme
schrieb.)
Für Konrad Zuse war klar, dass künftige Rechner Aufgabenstellungen aus der Kombinatorik
(in Zuses Worten: alle rechenbaren Probleme) lösen sollten. Neben den algebraischen Maschinen
Z1-Z4, führte er 1943 das Konzept der logistischen Maschine ein, die die Programmiersprache
Plankalkül verstehen sollte. In einem Bericht von 1946 gibt Konrad Zuse ein Anwendungsbeispiel für
seine Idee der logistischen Maschinen, die er das erste Mal 1943 diskutierte: Es soll eine Brücke
gebaut werden. Die Ausgangsangaben sind: Grundsätzliche Angaben über Konstruktion: z. B.
Bogenbrücke mit drei öffnungen; Bautechnik: z. B. Stahlbau geschweißt; Länge der Brücke,
Durchfahrtsbreiten und -höhen. Die Maschine liefert als Ergebnis: Vollständigen Entwurf des Systems
mit seinen konstruktiven Einzelheiten. Statische Berechnung. Gewichts-, und Massenermittlung.
Kostenvoranschlag. Mechanische Anfertigung der Konstruktionszeichnungen, einschließlich aller
Details. Hier sehen wir bei Konrad Zuse die Verbindung zwischen Hardware und Software.
Konrad Zuse wollte nie einen Lehrstuhl an einer Universität, er wollte seine Vision realisieren,
vollautomatische Rechenmaschinen zu bauen und zu verkaufen. Dazu gründete er 1941 die
Zuse-Apparatebau in Berlin, 1946 das Zuse-Ingenieurbüro in Hopferau im Allgäu und 1949
die Zuse KG in Neukirchen
(Kreis Hünfeld). Konsequent setzte er seine Vision in die Tat um, Ingenieuren das stupide Rechnen
durch vollautomatische Maschinen abzunehmen.
Die Zuse KG war bis 1964 im Besitz von Konrad Zuse und seiner Frau und produzierte ca. 850 Computer
im Wert von mehr als 150 Millionen DM. Die Zuse KG war für gut 15 Jahre federführend im europäischen
Computerbau, danach konnte sie der in- und ausländischen Konkurrenz nicht mehr widerstehen.
In der Vergangenheit haben Wissenschaftler, wie Ingenieure lange Debatten darüber geführt, welche
Komponenten einen Computer ausmachen und wer als wahrer Erfinder anzuerkennen ist. Konrad Zuse war
lange Zeit in Beweisnot für seine Z3, denn seine Z3 von 1941 wurde 1943 bei einem Bombenangriff in
Berlin zerstört. Er hatte nur die Patentanmeldung Z391. Noch 1959 bat Konrad Zuse Personen zu
berichten und aufzuschreiben, was sie 1941 in seiner Werkstatt in der Methfesselstraße in Berlin-Kreuzberg
gesehen hatten.
Der US-Amerikaner Howard Aiken
hatte es da einfacher, denn er konnte seine Maschine MARK I ab 1944 vorführen. Konrad Zuse konnte den
Beweis, die Z3 im Jahr 1941 funktionsfähig vorgestellt zu haben, erst Anfang der 60er Jahre erbringen.
Im Rahmen des
Internationaler
Mathematikerkongresses (ICM) 1998 fand in Paderborn der Kongress
International Conference on History of
Computing vom 14.8.-16.8.98 statt. Es trafen renommierte Experten aus aller Welt zusammen.
Auf der abschließenden Podiumsdiskussion: Who invented the Computer?, sprachen die Fachleute
mit überwältigender Mehrheit Konrad Zuse die größte Bewunderung für seine Leistungen auf dem Gebiet
der Computerentwicklung aus. Im Jahr 1999 wurde ihm posthum der Fellow des
Computer Museum History Center in Palo Alto für sein
Werk verliehen. Es war die Anerkennung in den USA.
Heutzutage ist es anerkannt, er hat mit der Z3 den ersten funktionierenden Computer gebaut.
Oft angesprochen auf die Macht der Computer sagte Konrad Zuse: Wenn die Computer zu mächtig
werden, dann zieht den Stecker aus der Steckdose. Das war symbolisch gemeint, wir wissen,
dass dies heutzutage nicht möglich ist, es würde uns eine Katastrophe bescheren.
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