Nachruf
Andreas Griewank (1950 - 2021)
von
Andrea Walther und
Caren Tischendorf
Nachstehend wird ein Nachruf für Andreas Griewank wiedergegeben, der seinerzeit
auf der Homepage des Fachbereichs Mathematik der Humboldt-Universität zu Berlin
publiziert wurde
(mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen):
Am 16. September 2021 verstarb plötzlich und unerwartet unser
Freund und Kollege Prof. Andreas Griewank im Alter von 71 Jahren.
Wir trauern um ihn als einen international herausragenden Mathematiker,
der mit der Entwicklung des algorithmischen Differenzierens die moderne
Optimierung geprägt hat.
Andreas Griewank wurde am 26. Januar 1950 in Kassel geboren.
Er studierte nach seinem Abitur 1968 am Albert-Schweitzer-Gymnasium in
Hofgeismar zunächst Mathematik und Physik an der
Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld und ab 1972 Mathematik,
Physik und Wirtschaftswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
1975 schloss er sein Mathematik-Studium mit Auszeichnung und der Diplomarbeit
unter der Betreuung von Lutz Eichner zum Thema „Affin-lineare Automaten“ ab.
Anschließend ging er nach Australien an das Computer Centre and
Department of Computer Science der Australian National University in Canberra (ANU).
Nach Absolvierung eines Masterstudiums mit einer Masterarbeit zum Thema
„A Generalized Descent Method for Global Optimization“ promovierte Andreas Griewank
dort unter der Betreuung von Professor R. P. Brent and M. R. Osborne
zum Thema „Analysis and Modification of Newton's Method at Singularities“.
Im Anschluss arbeitete Andreas Griewank als Post-Doktorand bei
Michael J. D. Powell an der Universität Cambridge.
1982 wurde er Assistant Professor und 1986 Associate Professor (mit ,tenure‘)
an der Southern Methodist University in Dallas, USA.
Von 1987-1993 war er als Senior Mathematiker am Argonne National Laboratory
in Illinois, USA, tätig. 1993 wechselte er auf eine Professur an die
TU Dresden und war dort gleichzeitig Direktor des
Instituts für Scientific Computing.
Nach einem Sabbatical-Jahr 1998-1999 am INRIA in Frankreich und weiteren zwei
Jahren an der TU Dresden folgte Andreas Griewank 2003 einem Ruf als
Matheon-Professor an die Humboldt-Universität zu Berlin.
Von 2008-2012 wirkte er als Institutsdirektor am
Institut für Mathematik der HU Berlin. Nach seiner Emeritierung 2015
engagierte er sich beim Aufbau der Technischen Universität Yachay in
Ecuador und war dort von 2015 bis September 2019 als Dekan der Mathematischen
Fakultät tätig.
Das Werk von Andreas Griewank deckt ein sehr weites Feld der mathematischen
Optimierung ab und reicht von Konvergenztheorie für das Newtonverfahren im
degenerierten, unendlich-dimensionalen Fall über Ansätze zur globalen sowie
nichtglatten Optimierung bis zur effizienten Berechnung von exakten Ableitungen
mittels des algorithmischen Differenzierens. Sein wissenschaftliches Arbeiten war
stets von einem überbordenden Ideenreichtum und ansteckendem Enthusiasmus geprägt.
Andreas Griewank wurde 2001 mit dem Max-Planck-Forschungspreis ausgezeichnet und
2017 als SIAM Fellow der amerikanischen Society for Industrial and Applied Mathematics
berufen.
Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten hat sich Andreas Griewank stets der
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gewidmet. Er hat 23 Doktorandinnen und
Doktoranden sowie eine Vielzahl von Masterstudierenden aus aller Welt betreut.
Ein besonderes Anliegen war ihm die Förderung der mathematischen Ausbildung
in den Entwicklungsländern. Neben der oben bereits genannten Tätigkeit
in Ecuador hat er sich unter anderem in Gremien wie den Committees for
Developing Countries der European Mathematical Society (EMS) und der
International Mathematical Union (IMU) stark engagiert.
Ein schnelles Ende ohne wesentliche vorherige gesundheitliche Einschränkungen
passt zu Andreas Griewank, wie man ihn kannte. Er war bis zuletzt immer rastlos,
voller Tatendrang auch hinsichtlich neuer mathematischer Entwicklungen und
konnte auf ein sehr erfülltes Leben zurückschauen.
Seiner Frau, seinen Kindern und seinen Enkelkindern sprechen wir unser
tiefempfundenes Beileid aus.
Bildnachweis
Porträt | Quelle: Homepage von Andreas Griewank |