Mathematiker des Monats Februar 2017
Wolfgang Siegfried Haack (1902-1994)
von
Günter Bärwolff
Geboren wurde Wolfgang Haack in Gotha und lebte in insgesamt 4 Staatsformen.
Die ersten 16 Lebensjahre im Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha im deutschen Kaiserreich.
Danach bis 1933 in der Weimarer Republik und bis 1945 in Nazideutschland.
Nach dem zweiten Weltkrieg lebte er bis zu seinem Tod in Westdeutschland beziehungsweise
der Bundesrepublik.
Wolfgang Haack studierte ab 1921 Maschinenbau in Hannover und Mathematik in Jena.
Da die Mathematik nicht das Wunschfach seines Vaters, des bekannten Gothaer Kartographen
Hermann Haack,
war, stellte dieser die Finanzierung des Studiums vorübergehend ein, so dass W. Haack
sein Studium zeitweise als Geiger auf einem Hapag-Lloyd-Ozeandampfer finanzierte.
Er promovierte 1926 an der Friedrich-Schiller-Universität bei
Robert Haußner über das
Thema „Die Bestimmung von Flächen, deren geodätische Linien durch die Abbildung in die Ebene in
Kegelschnitte übergehen“. Nach einem kurzen Forschungsaufenthalt in Hamburg und einer Anstellung
als Assistent an der Technischen Hochschule Stuttgart habilitierte er sich 1929 an der
Technischen Hochschule Danzig mit seiner Arbeit über die „Affine Differentialgeometrie der
Strahlensysteme“. Nach seinem kurzzeitigen Wechsel 1935 an die Technische Hochschule Berlin folgte er
1937 dem Ruf an die Technische Hochschule Karlsruhe.
Das Wirken von Wolfgang Haack setzt an der Schnittstelle zwischen Mathematik und Mechanik an.
Sein Forschungsgebiet reicht von der Mechanik und der Differentialgeometrie über partielle
Differentialgleichungen bis hin zur numerischen Mathematik. Dabei beschäftigte er sich insbesondere
sowohl mit elliptischen als auch mit hyperbolischen partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung.
Von der Differentialgeometrie kommend, waren ihm die Pfaffschen Differentialformen stets ein besonderes
Anliegen. Von Haus aus Ingenieur hatte er stets die Anwendung der Mathematik im Auge, so etwa die
Gasdynamik bei überschallströmungen.
Im Zweiten Weltkrieg stellte der patriotisch gesinnte Haack seine Fähigkeiten in den Dienst der
anwendungsorientierten Forschung, speziell der Gasdynamik. Dabei fand er eine analytische Formel für
den Körper mit dem geringsten überschall-Luftwiderstand. Diese Haacksche Ogive, die die optimale
Form eines überschall-Flugkörpers darstellt, wurde 1941 von der Lilienthal-Gesellschaft veröffentlicht.
Die Haacksche Ogive hat erheblich bessere aerodynamische Eigenschaften als die Tangentialogive oder
selbst die Sekantogive, die nach ihren geometrischen Konstruktionsvorschriften benannt sind. Diese
Entwicklung von Haack wurde während des Zweiten Weltkriegs nicht in der Fertigung von Projektilen
für Scharfschützengewehre umgesetzt, da die vorgesehene Produktionsstätte, ein Werk in Linz, durch
allierte Bombenangriffe zerstört wurde. Haack entzog sich im dritten Reich in gewisser Weise dem
stärkeren Zugriff durch die Nationalsozialisten, indem er neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit
seine Freizeit in einem Motoradklub, also im wesentlichen sportlich verbrachte.
Aufgrund seines Engagements während des Zweiten Weltkrieges konnte oder wollte er 1944 dem
Ruf an die Technische Hochschule Berlin nicht folgen. Nach dem zweiten Weltkrieg war Haack in
Bad Gandersheim interniert und wurde von britischen Spezialisten über seine angewandten
Forschungsarbeiten intensiv befragt, so auch zu der
Haackschen Ogive. Ein zur Haackschen Ogive
analoges Ergebnis fand 1947
William Sears, so dass fortan in der
Literatur vom Sears-Haack body gesprochen wurde.
1949 übernahm W. Haack als Nachfolger von Georg Hamel
an der Technischen Universität Berlin den Lehrstuhl für
Mathematik und Mechanik.
Neben den Vorlesungen über Höhere Mathematik hielt er Vorlesungen über Gasdynamik, partielle
Differentialgleichungen und numerische Mathematik für Mathematik- und Ingenieurstudenten.
Auf die Frage seines aus Leipzig nach Berlin gekommenen Kollegen
Erich Kähler, auf welchem Gebiet er
arbeite, antwortete W. Haack, „auf dem Gebiet der partiellen Differentialgleichungen“.
Dies kommentierte Kähler sinngemäß: „Na, das ist ja ein Gebiet aus dem 18. Jahrhundert.“
Auf Bestreben W. Haacks, aber auch als Anerkennung seiner Leistungen wurde für ihn 1964 der
neue Lehrstuhl für Numerische Mathematik eingerichtet. Diesen hatte er bis zu seiner Emeritierung
1968 inne. Das elektronische Rechengerät werde zum Rechenzentrum der industriellen Forschung werden,
und auch Berlin benötige ein solches Gerät, damit die TU nicht zu einer Hochschule zweiten Ranges werde,
bemerkte im Jahre 1953 weitsichtig eine von Wolfgang Haack gegründete Arbeitsgruppe der TU Berlin.
Infolge der Weigerung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Rechner zu finanzieren (man war der Meinung,
dass man die wenigen benötigten Rechner im Ausland kaufen könne) finanzierte W. Haack die ersten Rechner
privat. Desweiteren baute er Verbindungen zur Berliner Firma Askania auf, so dass die in der damaligen
Zeit beträchtlichen Aufwendungen für den Bau und den Kauf von Rechnern möglich wurden. 1958 erhielt das
Recheninstitut seines Lehrstuhls den ersten Zuse-Rechner Z22. In diesem Zusammenhang gab es auch eine
Zusammenarbeit Wolfgang Haacks mit Konrad Zuse.
Das Institut ging 1974 in der Zentraleinrichtung Rechenzentrum (ZRZ) der TU auf. Mit seinem Bezug zur
Anwendung und zu numerischen Löosungsmethoden befasste sich W. Haack auch intensiv mit Fragen der
Computertechnik, speziell der Speichertechnologie, und leistete hierbei auch Pionierarbeit.
Während seiner Berliner Zeit hat er ein gutes Dutzend Dissertationen betreut.
Viele seiner Schüler haben den von ihm vorgezeichneten Weg in der wissenschaftlichen Forschung
fortgeführt, indem sie selber eine wissenschaftliche Laufbahn einschlugen.
Erwähnt seien in diesem Zusammenhang nur zum Beispiel
Gerhard Bruhn,
Günter Hellwig, Eike Jessen,
Manfred Schneider und
Wolfgang Wendland.
Im Jahr 2015, anlässlich eines Ehrenkolloquiums zum 50. Jahrestags seiner von Wolfgang Haack betreuten
Dissertation, hatte ich ein längeres Gespräch mit W. Wendland (der als Professor an der
Technische Hochschule Darmstadt und der Universität Stuttgart wirkte, wo er noch heute als Emeritus
sehr aktiv ist), wo er sich der sehr angenehmen und produktiven Zusammenarbeit mit W. Haack erinnerte.
W. Haack war neben seiner langjährigen Tätigkeit an der Technischen Universität Berlin Leiter
des Sektors Datenverarbeitung-Mathematik am Hahn-Meitner-Institut in Berlin-Wannsee, das 2008 in
das Helmholtz-Zentrum Berlin aufgegangen ist. In den Perioden 1950/52 und 1952/54 war W. Haack
Vorsitzender der Berliner Mathematischen Gesellschaft sowie von 1954 bis 1958 in deren Beirat aktiv
und im Jahr 1963 Vorsitzender der
Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Hierzu ist anzumerken,
dass er 1950 zu den Wiedergründern der Berliner Mathematischen Gesellschaft gehörte.
Wolfgang Haack wurde 1992 zum Ehrenmitglied der
Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik ernannt.
1994 starb Wolfgang Haack im Alter von 92 Jahren in Berlin.
Referenzen
[1] | Heinrich Begehr: Die Berliner Mathematische Gesellschaft: Ursprung, Gründung, Neugründung, Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft, Jahrgänge 1997 - 2000, 267 - 366 | |
[2] | Gerhard Bruhn: Wolfgang Haack zum Gedächtnis, Beiträge von J. Grosche, F. R. Güntsch, G. Hellwig, E. Jessen, H.-J. Töpfer und W. Wendland, bearb. von G. Bruhn, Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft, Jahrgänge 1993 - 1996, 267 - 280 | |
[3] | Wolfgang Haack: Rückschau über 85 Jahre, Schlußworte zum mathematischen Colloquium am 28.4.1987 im Hahn-Meitner-Institut, Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft, Jahrgänge 1972 - 1987, 171 - 179 | |
[4] | Festschrift „100 Jahre Berliner Mathematische Gesellschaft“, hrsg. vom Vorstand der Gesellschaft, Berlin 2001 |
Bildnachweis
Porträt | entnommen aus [4, S. 13] | |
W. Haack in Oberwolfach | Konrad Jacobs, verwendbar unter der Lizenz Creative Commens (CC BY-SA 2.0 DE), Quelle http://owpdb.mfo.de/detail?photo_id=1489 | |
Elternhaus | Wolfgang Volk, Berlin |