Mathematischer Ort des Monats Juni 2025
Gedenktafel für Johannes Tropfke in Berlin-Mitte
von
Wolfgang Volk
In der Marienstraße 14 im Bezirk Mitte,
unweit des S- und U-Bahnhofs Friedrichstraße, befindet sich rechts vom
Hauseingang eine messingfarbene Gedenktafel, die den Mathematiker
Johannes Tropfke (1866-1939) würdigt.
Die Frontseite dieses Gebäudes, das den 2. Weltkrieg im Wesentlichen unbeschadet
überstand, ist auf einer fotografischen Aufnahme am Ende dieses Artikels
wiedergegeben1).
Der eingravierte und in schwarzer Farbe hervorgehobene Text dieser Gedenktafel liest sich
wie folgt:
Geburts-
und Sterbehaus
Prof. Dr. Johannes Tropfke
* 14.10.1866 + 10.11.1939
Langjähriger Stadtverordneter von Berlin
In Anerkennung seiner Verdienste um die
Mathematik verlieh ihm die
Preußische Akademie der Wissenschaften
die höchste Stufe der Leibniz-Medaille
Prof. Dr. Johannes Tropfke
* 14.10.1866 + 10.11.1939
Langjähriger Stadtverordneter von Berlin
In Anerkennung seiner Verdienste um die
Mathematik verlieh ihm die
Preußische Akademie der Wissenschaften
die höchste Stufe der Leibniz-Medaille
Die Bedeutung von Johannes Tropfke ergibt sich aus der von ihm verfassten Buchreihe
„Geschichte der Elementar-Mathematik in systematischer Darstellung mit besonderer
Berücksichtigung der Fachwörter“, deren Bände teilweise in den Jahren
2011-13 und teilweise 2019-2021
als eBook herausgegeben und als gebundene Ausgaben nachgedruckt wurden (siehe [2]).
Was die „höchste Stufe der Leibniz-Medaille“ angeht, so ist festzustellen,
dass die Preußische Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1907-1944 sowohl
Goldene/Eiserne sowie Silberne Leibniz-Medaillen verlieh. Johannes Tropfke erhielt im Jahr 1939
mit zwei weiteren Preisträgern die Silberne
Leibniz-Medaille2) (siehe [3]).
Die erste Auflage der Buchreihe umfasste zwei Bände unter dem Titel „Geschichte der
Elementar-Mathematik in systematischer Darstellung“ und zwar:
- 1. Band: Rechnen und Algebra, 1902 und
- 2. Band: Geometrie, Logarithmen, ebene Trigonometrie, Sphärik und sphärische Trigonometrie, Reihen, Zinseszinsrechnung, Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung, Kettenbrüche, Stereometrie, Analytische Geometrie, Kegelschnitte, Maxima und Minima, 1903
- 1. Band: Rechnen, 1921,
- 2. Band: Allgemeine Arithmetik, 1921,
- 3. Band: Proportionen, Gleichungen, 1922,
- 4. Band: Ebene Geometrie, 1923,
- 5. Band: I. Ebene Trigonometrie, II. Sphärik, 1923,
- 6. Band: Analysis, Analytische Geometrie, 1924 und
- 7. Band: Stereometrie, Verzeichnisse, 1924.
- 1. Band: Rechnen, 1930,
- 2. Band: Allgemeine Arithmetik, 1933,
- 3. Band: Proportionrn, Gleichungen, 1937 und posthum der
- 4. Band: Ebene Geometrie, 1940
- 1. Band: Arithmetik und Algebra, 1980, vollständig neu bearbeitet von Kurt Vogel3), Karin Reich und Helmuth Gericke
Das Ziel und die Bedeutung dieser Buchreihe liegt in dem Ansatz begründet, nicht nur den
(Schul-)Stoff zu vermitteln, sondern auch die geschichtlichen Entwicklungen, die zum aktuellen
Wissensstand führten, nachzuzeichnen. Dass dies nur mit Schwierigkeiten zu meistern ist
und Kompromisse unumgänglich sind, wird man sicher einsehen; so schreibt Johannes Tropfke
in seinem Vorwort4) im 1. Band der 2. Auflage:
Die hohe Bedeutung geschichtlicher
Forschungen in der Wissenschaft, wie insbesondere der große Wert, der in der Verwendung
geschichtlicher Mitteilungen auch bei dem mathematischen Unterricht ruht, ist so allgemein
anerkannt,…
Anders liegt die Frage, wie ein Schulmann oder ein Gebildeter überhaupt – sei es zum Gebrauch im Unterricht, sei es zur Selbstbelehrung – sich die historischen Kenntnisse zu eigen machen kann. Bis vor kurzem war die Geschichte der Mathematik nur in vielen einzelnen Abhandlungen zum Teil sehr speziellen Inhaltes, zerstreut behandelt. Einen Markstein in der Entwicklung des geschichtlich-mathematischen Studiums bildet Cantors großes Meisterwerk.5) Seine zusammenfassende Darstellung des immer umfangreicher gewordenen, vielseitigen Stoffes gibt uns in meisterhafter Schilderung einen klaren und tiefen Einblick in den großen Werdegang unserer modernen Mathematik. Den Einzelheiten wird, soweit es zum Verständnis der Allgemeindarstellung nötig ist, möglichste Ausführlichkeit gewidmet; aber naturgemäß kann bei einem so groß angelegten Werke, wie bei der Fülle des zu bearbeitenden Materials erschöpfende Behandlung in diesen Einzelheiten nicht verlangt werden.…
Die vorwiegend historische Anordnung in Cantors Werk bereitet dem Leser, der sich über ein Thema unterrichten will, große Schwierigkeiten, da die stufenweise Entwicklung des gesuchten Stoffes aus den verschiedenen Kapiteln mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses zusammengetragen werden muß.… Für ein Werk, das imstande sein soll, schnell Auskunft über diesen oder jenen Punkt zu geben, das also als eine Art Naschlagewerk dienen kann, ist deshalb die systematische Anordnung durchaus vorzuziehen.
Nach diesem Gesichtspunkt ist die vorliegende Geschichte der Elementarmathematik behandelt worden.
…
Der Neubearbeitung lag daher eine erheblich vergrößerte Stoffmenge vor; daß diese von Vollstädigkeit noch ziemlich weit entfernt ist, kann niemandem klarer sein als dem Verfasser.
Der gewählte Stil nähert sich bei dem Umfang des Stoffes lexikalischer Kürze. Durch eine breitere Darstellung, die entschieden leichter gewesen wäre und zu der oft genug das Interesse zum Thema verlocken wollte, hätte die Übersichtlichkeit gelitten. …
In unseren elementar-mathematischen Lehrbüchern ist geschichtlichen Belehrungen leider selten eine Stelle eingeräumt. … Es wäre nicht der schlechteste Dank, den der Verfasser für seine Arbeit hätte, wenn das reichlich gebotene Material hierin eine Änderung herbeiführte; zu keinem Zwecke würden die Resultate seiner Mühe freudiger zur Verfügung gestellt werden. …
Anders liegt die Frage, wie ein Schulmann oder ein Gebildeter überhaupt – sei es zum Gebrauch im Unterricht, sei es zur Selbstbelehrung – sich die historischen Kenntnisse zu eigen machen kann. Bis vor kurzem war die Geschichte der Mathematik nur in vielen einzelnen Abhandlungen zum Teil sehr speziellen Inhaltes, zerstreut behandelt. Einen Markstein in der Entwicklung des geschichtlich-mathematischen Studiums bildet Cantors großes Meisterwerk.5) Seine zusammenfassende Darstellung des immer umfangreicher gewordenen, vielseitigen Stoffes gibt uns in meisterhafter Schilderung einen klaren und tiefen Einblick in den großen Werdegang unserer modernen Mathematik. Den Einzelheiten wird, soweit es zum Verständnis der Allgemeindarstellung nötig ist, möglichste Ausführlichkeit gewidmet; aber naturgemäß kann bei einem so groß angelegten Werke, wie bei der Fülle des zu bearbeitenden Materials erschöpfende Behandlung in diesen Einzelheiten nicht verlangt werden.…
Die vorwiegend historische Anordnung in Cantors Werk bereitet dem Leser, der sich über ein Thema unterrichten will, große Schwierigkeiten, da die stufenweise Entwicklung des gesuchten Stoffes aus den verschiedenen Kapiteln mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses zusammengetragen werden muß.… Für ein Werk, das imstande sein soll, schnell Auskunft über diesen oder jenen Punkt zu geben, das also als eine Art Naschlagewerk dienen kann, ist deshalb die systematische Anordnung durchaus vorzuziehen.
Nach diesem Gesichtspunkt ist die vorliegende Geschichte der Elementarmathematik behandelt worden.
…
Der Neubearbeitung lag daher eine erheblich vergrößerte Stoffmenge vor; daß diese von Vollstädigkeit noch ziemlich weit entfernt ist, kann niemandem klarer sein als dem Verfasser.
Der gewählte Stil nähert sich bei dem Umfang des Stoffes lexikalischer Kürze. Durch eine breitere Darstellung, die entschieden leichter gewesen wäre und zu der oft genug das Interesse zum Thema verlocken wollte, hätte die Übersichtlichkeit gelitten. …
In unseren elementar-mathematischen Lehrbüchern ist geschichtlichen Belehrungen leider selten eine Stelle eingeräumt. … Es wäre nicht der schlechteste Dank, den der Verfasser für seine Arbeit hätte, wenn das reichlich gebotene Material hierin eine Änderung herbeiführte; zu keinem Zwecke würden die Resultate seiner Mühe freudiger zur Verfügung gestellt werden. …
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Referenzen
[1] | Menso Folkerts: Johannes Tropfke (1866-1939), Beitrag zum Mathematiker des Monats Februar 2016 | |
[2] | Johannes Tropfke: Geschichte der Elementarmathematik in systematischer Darstellung, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwörter, De Gruyter, Berlin – New York, 1902 – 1980 | |
[3] | Wikipedia: Leibniz-Medaille (Berlin) |
Bildnachweis
alle Fotos | Wolfgang Volk, Berlin, Juli 2015 |
1) Obwohl die Fotos, die hier wiedergegeben sind,
bereits im Jahr 2015 aufgenommen wurden, ist die Situation vor Ort im Jahr 2025 im Wesentlichen
unverändert.
2) Eine Beurteilung, was nun die höchste Stufe der
Leibniz-Medaille ist, maßt sich der Autor selbstverständlich nicht an. Aber vielleicht
sollten ganz allgemein Superlative zurückhaltender verwendet werden.
Seit 1946 verleihen die Nachfolgeinstitutionen der Preußischen Akademie der Wissenschaften
einfach nur Leibniz-Medaillen (ohne Differenzierung) (siehe auch [3]).
3) Kurt Vogel hatte Johannes Tropfke bereits bei der
Bearbeitung der 3. Auflage unterstützt. Er wird auch als Herausgeber des 4. Bandes der
3. Auflage genannt; man beachte, dass dieser Band nach dem Ableben von J. Tropfke erschien.
4) Das Vorwort selbst ist in die Abschnitte
„Vorwort zur ersten Auflage“ und „Vorwort zur zweiten Auflage“
aufgeteilt. Quelle für beides ist aber stets der 1. Band der 2. Auflage.
5) Der nachstehende Text entspricht der Fußnote
im Buch:
Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik – Bd. I, dritte Auflage, Leipzig 1907 – Bd. II, zweite Auflage, Leipzig 1900 und 1913 – Bd. III, zweite Auflage, Leipzig 1901 – Bd. IV, Leipzig 1908 – (kurz als Cantor, 13, 22, 32, 41 angeführt)
Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik – Bd. I, dritte Auflage, Leipzig 1907 – Bd. II, zweite Auflage, Leipzig 1900 und 1913 – Bd. III, zweite Auflage, Leipzig 1901 – Bd. IV, Leipzig 1908 – (kurz als Cantor, 13, 22, 32, 41 angeführt)