Mathematischer Ort des Monats März 2020
Grabstätten von Hermann und Georg Struve in Potsdam-Klein Glienicke
von
Wolfgang Volk
Das Grab des Mathematikers und Astronomen
Karl Hermann Struve und seiner Gattin Olga
ist unmittelbar an der östlichen Friedhofsmauer des westlichen Teils des
Klein Glienicker Friedhofs
gelegen.
Der Grabstätte nähert man sich am besten von westberliner Seite, indem man zum Beispiel mit dem
Linienbus zur Haltestelle Schloss Glienicke fährt, etwa 250m die Königsstraße
in Richtung Berlin geht und dann gen Süden einem der Waldwege wenige Schritte (ca. 50m) folgt.
So erreicht man zwar den Friedhof, dessen Eingang ist aber an der Südseite des Areals zu
finden – das Grab von Karl Hermann Struve lässt sich aber auch bereits von der verlängerten
Wilhelm-Leuschner-Straße über die niedrige Friedhofsmauer entdecken (vergleiche den
Plan zum Friedhof
Klein Glienicke, in dem lagemäßig auch die Grabstätte Struve [mit der laufenden Nummer 14]
ausgewiesen ist).
Mit der Vokabel „westberliner Seite“ soll keineswegs revisionistisches Gedankengut gepflegt
aber schon deutlich auf die problematische Situation der Bewohner und der Liegenschaften von
Klein Glienicke zu
Zeiten der DDR (-1990) aufmerksam gemacht werden. Denn der Grenzverlauf zwischen dem Ortsteil Klein Glienicke
und dem Stadtgebiet (West-)Berlins ist weit davon entfernt gradlinig zu verlaufen – zwei Teile von
Klein Glienicke waren von mindestens drei Seiten vom Stadtgebiet Westberlins umschlossen und die Grenzanlagen
(Teil der Berliner Mauer) erforderten auch ihren Platz. Insofern ist schon von Glück zu reden,
dass es den Friedhof von Klein Glienicke überhaupt noch gibt.
Auf dem Grabstein sind die Namen (nur die Rufnamen) und die Lebensdaten der Verstorbenen ausgewiesen.
Zusätzlich sind zu Hermann Struve auch die Tätigkeitsfelder Univers[itäts-]Prof[essor,]
Dir[ektor] d[er] Sternwarte ausgewiesen. In Struves Amtszeit fiel der Umzug der Sternwarte vom Standort
im heutigen berliner Stadtbezirk Kreuzberg (vergleiche die Ausführungen zum
Preußischer Normalhöhenpunkt 1879 in Berlin-Kreuzberg)
nach Babelsberg (heutige postalische Adresse: An der Sternwarte 16, 14482 Potsdam), wo heute das
Leibniz-Institut für Astrophysik seinen Sitz hat.
Karl Hermann Struve (1854-1920) ist Mitglied einer über Generationen mit Astronomie, Geodäsie und
Mathematik befassten Familie:
- Bei seinem Urgroßvater Jacob Struve (1755-1841) wurde vom Lehrer Carsten Warnholz dessen mathematische Begabung entdeckt. Er wurde Gymnasiallehrer, 1789 erschien sein „Leitfaden für den Unterricht in Mathematik auf Schulen und Gymnasien“.
- Sein Großvater Friedrich Georg Wilhelm Struve1) (1793-1864) studierte Mathematik und Astronomie an der Universität Dorpat (heute Tartu in Estland). Er bekleidete das Amt des Direktors der Sternwarte erst in Dorpat dann in Pulkowo. Ferner führte er geodätische Arbeiten aus, initiierte eine Triangulation vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer, dem sogenannten Struve-Bogen.
- Sein Vater Otto Wilhelm Struve (1819-1905) war Astronom und folgte 1861 seinem Vater im Amt als Direktor der Sternwarte Pulkowo. Er beteiligte sich auch an einer Gradmessung, die sich über 69 Längengrade zwischen dem Südwesten Irlands bis Orsk an den Südausläufern des Uralgebirges erstreckte.
- Sein jüngerer Bruder Gustav Wilhelm Ludwig Struve (1859-1920) studierte in Dorpat Mathematik und Astronomie, war anschließend in Charkiv (Ukraine) Professor für Astronomie und Geodäsie und leitete auch die dortige Sternwarte.
- Sein Neffe Otto Struve (1897-1963, Sohn von Gustav Wilhelm Ludwig Struve) studierte in Charkiv Astronomie, wanderte 1921 in die USA aus, arbeitete am Yerkes Observatory in Wisconsin und lehrte als Professor für Astrophysik an der Universität Chicago. Ab 1939 leitete er das Observatorium der University of Texas, 1950 nahm er einen Ruf an die University of California in Berkeley an.
Auch der Sohn von Olga und Karl Hermann Struve,
Georg Otto Hermann Struve (1886-1933), studierte ab
1905 Mathematik und Astronomie an den Universitäten Heidelbergs und später Berlins. Ab 1911 assistierte
er an den Sternwarten Bonn, Berlin und Bergedorf bei Hamburg, wurde 1912 Mitarbeiter am Observatorium der
kaiserlichen Marine in Wilhelmshaven. 1919 kehrte er an die Berliner Sternwarte (nun in Babelsberg beheimatet)
zurück, habilitierte 1924 und starb bereits im Alter von 47 Jahren. Er ist zusammen mit seiner Gattin
ebenfalls auf dem Klein Glienicker Friedhof (auf dem Gräberfeld A unmittelbar am Zaun der westlichen Grenze
des Friedhofs) bestattet.
Die Grabplatte ist auf nachstehendem Bild wiedergegeben, die Inschrift lautet:
Professor
Dr. Georg Struve
* 26. Dez[ember] 1886
+ 10. Juni 1933
Marie Struve
geb[orene] Mock
* 12. Febr[uar] 1886
+ 9. Jan[uar] 1938
Ich hab Dich lieb
Dr. Georg Struve
* 26. Dez[ember] 1886
+ 10. Juni 1933
Marie Struve
geb[orene] Mock
* 12. Febr[uar] 1886
+ 9. Jan[uar] 1938
Ich hab Dich lieb
Bildnachweis
beide Gräber | Wolfgang Volk, Berlin, aufgenommen im Januar 2020 |
1) Friedrich Georg Wilhelm Struve wurde 1831 zum
Wirklichen Staatsrat ernannt, womit auch eine Erhebung in den Adelsstand verbunden war
(siehe diesen Wikipedia-Artikel).
Es ist allerdings unklar, ob dieser vererbar ist (siehe die Diskussion um die
Umbenennung der Planstraße1).