Mathematischer Ort des Monats Oktober 2025
Grafitti zu Johannes Kepler und Gottfried Wilhelm Leibniz im Potsdamer Ortsteil Am Stern
von Wolfgang Volk
 
Grafitto fuer Johannes Kepler
Grafitto für Johannes Kepler
 
Der Potsdamer Ortsteil Am Stern liegt im (Süd-)Osten des Stadtgebiets und wird im Osten durch die Autobahn A115 und im Süden durch die Nuthe-Schnellstraße begrenzt. Seinen Namen hat er vom nur wenig östlich gelegenen runden Platz, auf den (heute) 8 (zum Teil ausgebaute) Verkehrswege sternförmig führen. An diesem Rondell befindet sich auch das während der Regentschaft des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) in Gestalt eines holländischen Bürgerhauses erbaute Jagdschloss Stern1).
Der Johnnes-Kepler-Platz mit seinen Geschäften und Einrichtungen bildet das Zentrum des Wohngebiets „Am Stern“ [3]. Auffällig ist zudem, dass östlich des Johannes-Kepler-Platzes zahlreiche Straßennamen nach Astronomen und Mathematikern benannt sind (Galileistraße, Gaußstraße, Grotrianstraße, Laplacering, Leibnizring, Newtonstraße, Schwarzschildstraße). Aber auch (Astro-)Physiker werden gewürdigt (Niels-Bohr-Ring, Max-Born-Straße, Otto-Hahn-Ring), wie auch der russische Raketenpionier Konstantin E. Ziolkowski (mit der Ziolkowskistraße).
Am Johannes-Kepler-Platz befindet sich auch eine Zweigstelle der Stadt- und Landesbibliothek2). An der dem Johannes-Kepler-Platz abgewandten Seite des alleinstehenden Gebäudes, an der sich lediglich eine Tür und ein Fenster befinden – also recht viel Wandfläche bietet, befindet sich das oben wiedergegebene Grafitto, das naheliegenderweise den Hofmathematiker des Kaisers Rudolph II. (1552-1612) Johannes Kepler (1571-1630) würdigt. Es zeigt den Namen „Kepler“ Ton in Ton mit dem Bildhintergrund in großen Lettern. Deren Höhe stimmt mit jener des Grafittos überein, weshalb der Name nicht vordergründig auffällt. Am linken Rand des Grafittos erkennt man den Rand der brodelnden Sonne und nach rechts, in der korrekten Reihenfolge bezüglich wachsender Abstände von der Sonne, Darstellungen der Planeten Merkur, Venus, der Erde, Mars, Jupiter, Saturn – erkennbar an seinem ausgeprägten Ringsystem –, Uranus mit einem angedeuteten Ring, der fast senkrecht zur Bahnebene steht und entsprechend wiedergegeben ist, Neptun und Pluto. Daneben zieht sich ein Band aufgeschlagener Bücher durch das Bild. Der Eindruck eines Bandes wird durch eine Kette von Bildpunkten, die durchaus auch Sterne (ähnlich der Milchstraße) darstellen könnten, vestärkt.
Einen Bezug zu den Büchern findet man im Schriftzug „Astronomia Nova“ in der rechten oberen Ecke des Grafittos. Dieser ist gerade der Titel des Buches, das Johannes Kepler 1609 (selbstverständlich in lateinischer Sprache) veröffentlichte. (Mit [1] liegt dieses Werk auch in deutscher Sprache vor.) In diesem Buch sind die ersten beiden Gesetze der Planetenbewegung ausformuliert, die heutzutage Kepler'sche Gesetze genannt werden.
1. Kepler'sches Gesetz: Die Bahn eines jeden Planeten ist eine Ellipse, wobei die Sonne in einem der beiden Brennpunkte steht.
2. Kepler'sches Gesetz: Ein von der Sonne zum Planeten gezogener Fahrstrahl überstreicht in gleichgroßen Zeitintervallen gleich große Flächen.
Ein drittes Gesetz fand J. Kepler erst im Jahr 1618, er hat es in seinem Buch Harmonices Mundi Libri V, das im Jahr darauf erschien, ausformuliert.
3. Kepler'sches Gesetz: Das Verhältnis des Quadrats der Umlaufzeit eines Planeten zur dritten Potenz der großen Halbachse seiner Bahnellipse ist für alle Planeten dasselbe.3)
Das revolutionär neue an Keplers Überlegungen war, dass man zuvor versuchte, die Unregelmäßigkeiten der Planetenbewegungen mit Hilfe von Epizykeln zu erklären, also einer Kreisbahn, die sich selbst auf einer Kreisbahn um die Sonne bewegt. Selbst Nikolaus Kopernikus4) (1473-1543) hat diesen Ansatz seinen Betrachtungen noch zugrundegelegt. Durch den von ihm vorgeschlagenen Übergang zum heliozentrischen Weltbild, war für Johannes Kepler offensichtlich, dass der Planet Erde seine Vorrangsstellung verloren hat und eine exakt kreisförmige Bahn auch für die Erde nicht mehr vorausgesetzt werden kann.

Das Grafitto „Stern-Garten“

Unmittelbar am nördlich vom Bibliotheksbau gelegenen Nachbargebäude – der Abstand beträgt nur wenige Meter – ist die Wand mit einem neueren Grafitto mit ähnlicher Thematik verziert; allerdings fehlt hier der unmittelbare Bezug zu Johannes Kepler. Während im Vordergrund ein Gartenidyll mit mehreren Wasserspielen, die von zahlreichen Vögeln als Tränke genutzt werden, zu erkennen ist, ist der Hintergrund als Mosaik mit einer Wiedergabe der Sonne und den (verblebenen) 8 Planeten gestaltet. Bekanntermaßen hat die Internationale Astronomische Union (IAU) in einer Abstimmung im August 2006 dem 1930 entdeckten Planeten Pluto den Planetenstatus aberkannt. Während auf dem Grafitto am Bibliotheksgebäude Pluto noch wiedergegeben ist, fehlt er bei dem mit „Stern-Garten“ betitelten Werk.
Das Grafitto „Stern-Garten“ wird nachstehend als Bildfolge wiedergegeben, wobei sie am rechten Ende (aus Sicht des Betrachters) mit dem Zentralgestirn, der Sonne, beginnt und in der Folge nach links mit wachsendem Abstand die Planeten wiedergegeben werden. Zwar wird hier der Planet Uranus ebenfalls mit einem eher unauffälligen Ring dargestellt, dessen extreme Neigung zur Bahnebene aber nur sehr moderat angedeutet ist.
Mosaik Sterngarten
Mosaik Stern-Garten mit der Sonne
 
Im Bereich des Johannes-Kepler-Platzes gibt es seit 1980 noch ein weiteres Kunstwerk, das sich im weiterem Sinne der Thematik Weltraum widmet, es trägt die Bezeichnung „Schwebendes Paar“ und stammt von Karl und Bruno Raetsch. Es sei hier allerdings nur darauf hingewiesen, eine Beschreibung findet man in [2, Kunstwerk 39].

Das Grafitto am Leibniz-Gymnasium

Nur durch einen kleinen Baumbestand und dem nördlichen Teil der Newtonstraße von den beiden weiter oben beschriebenen Grafitti getrennt befindet sich das Areal des (örtlichen) Leibniz-Gymnasiums. Dessen südwestliche Ecke ist in Gestalt einer massiven Mauer ausgestaltet, die mit einem Grafitto, das im Wesentlichen den Namen der Bildungsanstalt ausweist, versehen ist.
Leibniz-Gymnasium
Grafitto, das das Areal des Leibniz-Gymnasiums in Potsdam auffällig kennzeichnet
 
Es gibt allerdings zwei Details auf die gesondert hingewiesen werden soll. Da ist zum einen ein Porträt des Namensgebers und Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der sich auch mit mathematischen Themen maßgeblich beschäftigt hat, in das Grafitto integriert und das nachstehend separat wiedergegeben wird.
Portraet von Gottfried Wilhelm Leibniz
Porträt vom Namensgeber, dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz
 
Bei genauerem Hinschauen erkennt man zum anderen, dass das Wort „Gymnarum“ noch mit mit einem Text in Schreibmaschinenschrift überlagert ist. Dieser Text lautet wie folgt:
Beim Erwachen hatte ich schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben.
Dies ist eine aus dem Französischen frei übersetzte Notiz von G. W. Leibniz (siehe nachstehendes Fragment).
Textfragment
Textfragment mit der Aussage in ursprünglich französischer Sprache
 

Referenzen

[1]   Johannes Kepler: Astronomia Nova – Neue ursächlich begründete Astronomie, übersetzt von Max Caspar, durchgesehen und ergänzt sowie mit Glossar und einer Einleitung versehen und herausgegeben von Fritz Krafft, matrixverlag, Wiesbaden, 2005
[2]   Landeshauptstadt Potsdam – FB Kultur und Museum, FB Grün- und Verkehrsflächen (Hrsg.): Kunst im öffentlichen Raum – Babelsberg / Schlaatz / Waldstadt / Am Stern / Drewitz / Kirchsteigfeld, Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH, mit einem Vorwort von Dirk Alexander Schermer
[3]   PotsdamWiki: Wohngebiet „Am Stern“, zuletzt bearbeitet am 3. August 2024
 

Bildnachweis

Grafitti zu Johannes Kepler und zum Leibniz-Gymnasium   Wolfgang Volk, Dezember 2014
Grafitto Stern-Garten   Wolfgang Volk, September 2025
Notiz   Von der Homepage der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) kopiertes und nachträglich für die obegen Zwecke bearbeitetes Bild. Bekanntlich ist G. W. Leibniz 1716 verstorben, was bereits länger als 70 Jahre her ist (siehe § 64 Urheberrechtsgesetz [UrhG]). Ferner werden gem&aum;ß der Leitlinien zur Lizenzierung von wissenschaftlichen Produkten der BBAW unter anderem für Bilder die Creative Commons Lizenz Attribution 4.0 (CC BY 4.0) angewendet. Diese ist sinngemäß auch auf diese Grafik anwendbar.
 

1) Die Gegend um diesen Platz lag seinerzeit in einem ausgedehnten Waldgebiet, der Parforceheide. Über die damalige Situation gibt ein Plan von C. G.Tschirsky aus dem Jahr 1786 beredt Auskunft, der von einer Informationstafel abgelichtet hinter dem Verweis/Link wiedergegeben ist. „Der Stern“ ist etwa im Zentrum des rechten unteren Bildviertel zu erkennen, oben links der südliche Teil der Stadt Potsdam.
2) Diese Zweigbibliothek ist derzeit (2025 und voraussichtlich bis 2027) wegen umfangreicher Umbau- und Modernisierungsarbeiten geschlossen; das alleinstehende Gebäude ist mit einem Bauzaum umgeben.
3) Dieses Gesetz wird nun meist anders formuliert, indem die Umlaufzeiten und großen Halbachsen der Bahnellipsen zweier Planeten zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.
4) Ob die korrekte latinisierte Schreibweise des Namens „Nicolaus Copernicus“ lautet, wird immer noch diskutiert. Im deutschen Sprachraum scheint sich die Schreibweise mit „K“ durchgesetzt zu haben.