Mathematischer Ort des Monats Juli 2017
Kursächsische Postmeilensäule in Brück
von
Wolfgang Volk
Kursächsische Postmeilensäule in Brück1)
Die Kursächsische Postmeilensäule im (heute Brandenburgischen) Brück ist gemäß
[3] als die nördlichste ausgewiesen und dürfte deshalb die am nächsten bei Potsdam und Berlin
gelegene sein. Die Postmeilensäule in Brück ist heute in der Straße des Friedens
wenige Meter östlich der Straßenkreuzung, wo die genannte Straße mit der
Ernst-Thälmann-Straße, der Brandenburger Straße und dem
Weg zum Alten Sportplatz zusammentrifft.
Nun soll zunächst das historische Geschehen beleuchtet werden, das zur Errichtung dieser Postmeilensäulen
führte. Im Jahr 1712 verstaatlichte August der Starke (seinerzeit ab 1694 als Friedrich August I.
Kurfürst und Herzog von Sachsen sowie ab 1697 in Personalunion als
August II. König von Polen-Litauen)
das Postwesen.
Zudem ließ Adam Friedrich Zürner,
der seit 1705 die Pfarrstelle in Skassa nahe Großenhain innehatte, im Jahr 1711 August dem Starken seine selbst
gefertigte Special-Landt-Charte von Großenhain vorlegen, was diesen veranlasste, A. F. Zürner zu
beauftragen, eine gleiche Karte für das Amt Dresden anzufertigen. In diesem Zusammenhang ist zu
erwähnen, dass A. F. Zürner sich bereits während seines Studiums der Theologie in Leipzig und
Wittenberg intensiv mit Mathematik und Geografie beschäftigte.
1713 erhielt A. F. Zürner von August dem Starken den Auftrag, Karten für alle Ämter des
Kurfürstentums Sachsens zu erstellen und so – mit dem Titel „Land- und Grenzkommissar“
ausgestattet – die Arbeiten von
Matthias Oeder, die wegen des 30-jährigen
Kriegs nicht zum Abschluss gebracht werden konnten, fortzusetzen und abzuschließen.
1716 wurde A. F. Zürner zum „Kurfürstlich Sächsischen und Königlich Polnischen
Geographen“ ernannt und auch Mitglied der Preußischen Akademie
der Wissenschaften. Seine Pfarrstelle in Skassa hatte er zu diesem Zeitpunkt schon längst aufgegeben.
Im Jahr 1718 legte A. F. Zürner seine „Neue Chursächsische Post-Charte“ vor, in der die
„Distanzen“ der Orte auf den Poststraßen erfasst sind.
Die Art wie A. F. Zürner diese Distanzen ermittelte, erklärt auch ihre Eignung für
die Postmeilensäulen. Denn er konstruierte einen Messwagen, der mit einem Zählwerk für die
Umdrehungen eines der Räder mit einem Umfang von genau einer Rute (in diesem Fall 4,531 m) ausgestattet
war. Er konstruierte auch eine handlichere Messkarre mit gleicher Technik.
Im Jahr 1721 verfügte August der Starke, dass im gesamten Kurfürstentum an den
durch Poststraßen verbundenen Orten steinerne Postmeilensäulen zu setzen sind und
stattete A. F. Zürner mit einer Generalvollmacht für die Realisierung aus. Da vom
Kurfürsten auch verfügt wurde, dass die Kosten hierfür nicht vom Staat, sondern von den
Gemeinden zu tragen waren, gab es vor Ort allerlei Widerstand. Ein Eingeständnis war, dass der
ursprügliche Plan, vor allen Stadttoren Postmeilensäulen zu errichten, gelegentlich fallen
gelassen wurde und nur an einem zentralen Platz eine Postmeilensäule errichtet wurde. So stand
die Postmeilensäule in Brück ursprünglich am Belziger Tor und wurde erst 1844
an ihren heutigen Standort versetzt; eine komplette Restaurierung erfolgte 1969 (siehe [3]).
Neben den Postmeilensäulen der beschriebenen Art, fanden auch noch Ganz-, Halb- und
Viertelmeilensäulen in Kursachsen entlang der Poststraßen Verwendung. Zur Unterscheidung
werden die Säulen der hier beschriebenen Art oft als Distanzsäulen bezeichnet.
Die meisten Kursächsischen Postmeilensäulen wurden in der Zeit von 1722 bis 1730 errichtet.
Das Aussehen der Kursächsischen Postmeilensäulen ist ziemlich einheitlich. Den Unterbau
bilden (von unten) der Sockel, das Postament und die Postamentbekrönung, den Oberbau der
Schaftfuß, der Schaft mit allerlei Angaben, die nachstehend beschrieben werden, die Wappenzone
und der Aufsatz bzw. die Spitze.
Auf dem Schaft ist (in diesem Fall) auf drei der vier Seiten der Ortsname „Brück“
vermerkt. Darunter sind zeilenweise Orte mit einer Stundenangabe aufgelistet. Diese Anordnung der
Orte erfolgt routenweise. Die einzelnen Routen sind durch Querstriche getrennt. Teilweise taucht
auch noch die Buchstabenkombination „gr“ auf; diese steht für „Grenze“.
Unten am Schaft sind an allen vier Seiten noch das Jahr der Errichtung der Postsäule –
in diesem Fall 1730 – und ein güldenes Posthorn zu sehen.
Bei den Zeitangaben hinter den Ortsnamen ist man verführt zu glauben, dass es sich um
Reisezeiten handelt. Das ist aber mitnichten so. Die Kursächsische Meile ist mit 2000 Ruten
(siehe oben) – also 9.062 m – festgelegt. Eine halbe Meile (1000 Ruten)
entspricht somit in etwa der Strecke, die ein Mensch in einer Stunde zurücklegt.
Um mit den Angaben größere Bevölkerungskreise zu erreichen, erfolgte die
„Kilometrierung“ in der beschriebenen Weise.
Die Entfernungen sind mit einer Genauigkeit von 1/8-Wegstunde angegeben. Teilweise fehlen die
Entfernungsangaben ganz oder teilweise, möglicherweise mangels Überlieferung.
über dem Schaft befindet sich die Wappenzone in Gestalt eines eigens dafüt gefertigten Steins.
Sie zeigt zwei Paare eines über Eck gestalteten Wappenpaars. Das linke, primär in den
Farben rot und weiß gestaltete Wappen erhält seine Rechtfertigung dadurch, dass August der
Starke (zeitweise) auch König von Polen war. Das rechte Wappen besitzt kursächsische Inhalte
(Die gekreuzten Schwerter sind seit 1731 Symbol für das
Meißner Porzellan,
eigentlich für die Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur,
heute Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH.) Für eine genaue Beschreibung des
Doppelwappens sei auf [1] verwiesen. Das Monogramm „AR“ im blauen Feld zwischen den Wappen
steht für „Augustus Rex“.
Insgesamt bilden diese Postmeilensäulen einen mit den Entfernungen gewichteten Graphen. Jeder
Knoten dieses Graphen besitzt ein lokales Koordinatensystem (Route, Entfernung).
Zu Brück sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass in den Jahren 1554/55 bis 1559
Michael Stifel hier als Pfarrer wirkte,
bevor er 1559 in Jena die erste Professur für Mathematik an der dortigen Universität
antrat.
Referenzen
[1] | Bernhard Peter: Postdistanzsäule am Elbufer in Meißen, Galerie: Photos schöner alter Wappen | |
[2] | Wikipedia: Adam Friedrich Zürner | |
[3] | Wikipedia: Galerie der kursächsischen Postmeilensäulen | |
[4] | Wikipedia: Kursächsische Postmeilensäule | |
[5] | Wikipedia: Michael Stifel |
Bildnachweis
alle Fotos | Wolfgang Volk, Berlin |
1) Am 29. Juni 2017 veranstaltete die Berliner Mathematische
Gesellschaft zusammen mit dem Museum für Kommunikation den 4.
Quartalsvortrag. Was liegt also näher als für den Juli 2017 als Ort des Monats einen Ort
mit mathematischem wie auch postalischem Bezug auszuwählen. Der so „ausgezeichnete“ Ort
ist ein Repräsentant von Orten in (mindestens) 157 dokumentierten Ortschaften (Stand Juni 2017,
siehe [A]). (Die Fotografien aus Brück wurden im September 2009 aufgenommen, die aus Annaberg im Mai 2003.)