Mathematischer Ort des Monats September 20181)
Tafel zur Lemberger Mathematikerschule in Berlin-Mitte
von
Wolfgang Volk
Über hundert Jahre, von 1795 bis 1918, gab es keinen polnischen Staat. Preußen, das
russische Zarenreich und Österreich hatten nach dem Kosciuszko-Aufstand im Jahr 1794
das Staatsgebiet des Königreichs Polen unter sich aufgeteilt. Erst nach dem ersten Weltkrieg
wurde mit dem
Friedensvertrag von Versaille
eine Grundlage für die Neugründung Polens, die
Zweite Polnische Republik,
geschaffen.
Der 100. Jahrestag der Wiedererlangung der Staatssouveränität Polens ist Anlass für
eine Ausstellung, bestehend aus einzelnen Tafeln, die am Bauzaun zum Grundstück der Polnischen
Botschaft, Unter den Linden 72, angebracht sind. Das Gebäude der
Botschaft wurde 2016 abgerissen und soll durch einen Neubau ersetzt werden [2].
Die Ausstellung skizziert schlaglichtartig die geschichtlichen Ereignisse in der Zeit von 1791 bis
1945 mit vielen Illustrationen und beleuchtet auch gesellschaftliche Sachverhalte. So ist eine Tafel der
Lemberger Mathematikerschule
gewidmet. Auf dieser Tafel werden die Mathematiker
Stefan Banach,
Hugo Steinhaus und
Stanisław Ulam
namentlich erwähnt. Die Erläuterungen auf den Tafeln sind in deutscher wie auch in
englischer Sprache zu lesen.
Nachstehend sei die Beschreibung zur Lemberger Mathematikerschule wiedergegeben:
Die polnische mathematische Schule entwickelte sich aus einem kleinen Kreis genialer polnischer
Mathematiker, die sich regelmäßig im Schottischen Caféhaus in Lemberg trafen.
Bei Kaffee, Cognac und Zigaretten diskutierten sie über mathematische Probleme.
Die bedeutendsten Mitglieder der Runde waren STEFAN BANACH (1892 - 1945) und sein Mentor
HUGO STEINHAUS (1887 - 1972). Zunächst schrieben sie ihre Formeln recht unbekümmert
mit einem Bleistift auf die Marmorplatte ihres Stammtisches. Als die übereifrige Putzfrau
immer wieder den Tisch abwischte, wurden die Fragestellungen und Lösungen in eine dicke
Kladde eingetragen. Für die besten Lösungen wurden Preise ausgelobt: ein Espresso,
eine Flasche Sekt oder eine lebendige Gans. Der zweite Weltkrieg beendete die Treffen.
Viele der Mitglieder des Kreises wurden von den Sowjets oder von den Deutschen umgebracht.
Nur einigen wenigen gelang es, sich rechtzeitig in die USA abzusetzen, wo sie an Eliteuniversitäten
ihre Arbeit fortsetzen konnten. Wie STANISŁAW ULAM (1909 - 1984), ein Schüler Banachs,
der maßgeblich an der Entwicklung der Wasserstoffbombe beteiligt war.
Das auf der Tafel wiedergegebene Bild ist einer Publikation von Tomasz Ubranek entnommen.
Die Ausstellung wurde von Prof. Arkadiusz Stempin konzipiert und von der
Botschaft der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland
und der
Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung organisiert [1].
Es ist davon auszugehen, dass die Ausstellung nur eine beschränkte Zeit zu sehen sein wird.
Es sei noch abschließend darauf hingewiesen, dass
Lemberg (polnisch: Lwów, ukrainisch:
Львів / Lwiw) heute auf ukrainischem Staatsgebiet liegt.
Die nachstehend wiedergegebene Landkarte zeigt grünlich eingefärbt das polnische Staatsgebiet
der Periode von 1918 bis 1939 und in weißer Farbe die heutige Staatsgrenze.
Referenzen
[1] | Facebook-Eintrag: Polnische Botschaft in Deutschland / Ambasada Polski w Niemczech hat 16 neue Fotos hinzugefügt. | |
[2] | Wikipedia-Artikel: Polnische Botschaft in Berlin |
Bildnachweis
alle Aufnahmen | Wolfgang Volk, Berlin, August 2018 |
1) Die Plakatausstellung ist seit 2019 nicht mehr vorhanden.