Mathematischer Ort des Monats August 2024
Tafel für Johannes Aurifaber in der Lutherstadt Wittenberg
von Wolfgang Volk
 
Tafel fuer Johannes Aurifaber
Tafel für Johannes Aurifaber
 
Das Gebäude mit der postalischen Adresse Markt 6 befindet sich an der südöstlichen Ecke des zentralen Platzes in der Altstadt Wittenbergs und wird auch Beyerhof genannt. Diese Bezeichnung leitet sich vom Namen seines Erbauers Christian Beyer1) (1482-1535) ab. Chr. Beyer hatte 1502 in Erfurt das Bakkalaureat erworben, schrieb sich im Sommer 1503 als einer der ersten Studenten der hiesigen Universität ein, erlangte 1505 die Magisterwürde, war ab 1507 bereits Lehrer an der philosophischen Fakultät (Artistenfakultät) und promovierte 1510 zum Doktor beider Rechte und erwarb das oben bezeichnete Grundstück, was allerdings 1512 Opfer eines Brandes wurde. Noch im gleichen Jahr begann er mit dem Wiederaufbau. In der Folgezeit übte Christian Beyer bis in die Reformationszeit mehrfach das Amt des Bürgermeisters von Wittenberg aus.
An dem Gebäude sind zwei Tafeln angebracht. Die eine (siehe [2, S. 19] weist eben auf Christian Beyer mit den ausgeübten Ämtern, Jurist, Universitätsprofessor, Bürgermeister sowie kurfürstlicher Kanzler hin. Die andere Tafel (siehe oben und [2, S. 17]) würdigt Johannes Aurifaber (1519-1575), mit bürgerlichem Namen Johannes Goldschmied (und manch' anderer Schreibweise), als Mathematiker, Theologen und als Herausgeber von Luthers Tischreden. J. Aurifaber – in Weimar geboren – schrieb sich 1537 an der Wittenberger Universität ein und erwarb 1539 das Bakkalaureat und später auch den Grad des Magisters der Artistenfakultät. Sein Studium wurde vom Grafen Albrecht von Mansfeld gefördert, was schon auf eine Beziehung zu dessen Hof schließen lässt zumal er in den Folgejahren in Wittenberg zwei junge Mansfelder Grafen unterrichtete und anschließend den Grafen Vollrad von Mansfeld als Feldprediger beim Kriegszug, den Kaiser Karl V. gegen Franz I. führte, nach Frankreich begleitete. 1545 kehrte J. Aurifaber nach Wittenberg zurück, begann ein Studium der Theologie und wurde Martin Luthers (1483-1546) letzter Famulus (hier wahrscheinlich als wissenschaftliche Hilfskraft zu verstehen). In dieser Zeit lebte er im Hause Luthers, den er auch im Winter 1545/46 auf seinen Reisen nach Mansfeld und Eisleben begleitete. Auf dieser letzten Reise verstarb Martin Luther am 18. Februar 1546.2) Danach ist kein weiterer Zusammenhang von J. Aurifaber mit Wittenberg verbürgt. Er war in den nachfolgenden Jahren Feldprediger im Schmalkaldischen Krieg, zunächst Gehilfe und schließlich selbst Hofprediger in Weimar. Er nahm weiterhin verschiedene Aufgaben als Theologe wahr, flüchtete vor der Pest nach Erfurt und wurde 1566 Pfarrer der Predigerkirche. Dort befindet sich noch seine Grabplatte.
Dies sind sehr verkürzt Beschreibung seines weiteren Lebens. Auf der Tafel sind daneben noch „Luthers Tischreden“ genannt. Johannes Aurifaber war von dem Gedanken beseelt, Unveröffentlichtes von Luther und Quellen zur lutherischen Reformation zu sammeln und bekannt zu machen, um Luthers Weiterwirken zu vergrößern. Hierzu zählen auch Mitschriften von Tischgesprächen aus dem Hause Luthers, die wohl öfters zu Monologen ausarteten, und die von J. Aurifaber aufbereitet als dessen „Tischreden“ herausgegeben wurden. (Zum Flair dieser Tischgespräche ist im Nachwort in [1] eine lebendige Beschreibung von Johannes Mathesius wiedergegeben.
Zum Thema „Mathematik“ findet man zum Herausgeber der Tischreden Luthers, Johannes Aurifaber, lediglich den Hinweis, dass er die sieben freien Künste, zu denen auch Arithmetik, Geometrie und Astronomie gehören, in Wittenberg erfolgreich studierte.
Dies tat auch ein weiterer Johannes Aurifaber (1517-1568), mit bürgerlichem Namen Johannes Goldschmidt allerdings aus Breslau gebürtig. Dieser folgte seinem drei Jahre älteren Bruder Andreas Aurifaber nach Wittenberg, wo er sich 1534 immatrikulierte und bereits 1538 die Magisterwürde erwarb. (Man geht davon aus, dass er bereits vorher an einer anderen Universität studiert hatte, da 4 Jahre eine für ein vollständiges Studium eine sehr knappe Zeitspanne darstellen.) Ab 1540 trat Johannes Aurifaber (aus Breslau3)) in die Artistenfakultät der Wittenberger Universität ein und hielt Vorlesungen über Sprachen, Philosophie, Theologie und auch Mathematik. 1545 übernahm er die Professur für niedere Mathematik (zu den verschiedenen Professuren im Fach Mathematik siehe [3]), musste aber wegen des Schmalkaldischen Kriegs erst einmal nach Magdeburg flüchten. Erst als die Wittenberger Universität den Lehrbetrieb wieder aufgenommen hatte, berief man ihn 1549 wieder auf seinen Lehrstuhl. Diesen hatte er allerdings nur kurze Zeit inne, da er bereits 1550 als Professor für Theologie und Pastor an die Nicolaikirche in Rostock berufen wurde. Sein weiterer beruflicher Lebensweg ist dem theologischen Umfeld zuzurechnen, was ja für seinen Namensvetter uneingeschränkt gilt.
Bemerkenswert ist, dass die beiden namensgleichen Personen teilweise zeitgleich ihr Studium der sieben freien Künste an der Universität Wittenberg betrieben, eine persönliche Bekanntschaft der beiden damit recht wahrscheinlich ist. Insbesondere für die Nachwelt ist eine Differenzierung und Zuordnung von Dokumenten und Notizen schwierig. Insofern ist davon auszugehen, dass die Tafel lediglich nur für einen der beiden gedacht ist, ihr textlicher Inhalt jedoch nicht widerspruchsfrei einem zuzuordnen ist. Wer von ihnen zeitweise im Beyerhof wohnte – vielleicht ja auch beide –, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben.
Haus am Markt 6, Beyerhof
Das Gebäude am Markt 6, auch Beyerhof genannt
 

Referenzen

[1]   Martin Luther: Tischreden, hrsg. von Kurt Aland, 3. völlig neu bearbeitete Aufl. in 1960, Philipp Relam jun., Stuttgart, 1981, ISBN: 3-15-001222-8
[2]   Elke Strauchenbruch: WER WAR WO in Wittenberg? Wissenswertes zu 124 Gedenktafeln, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Drei Kastanien Verlag, Wittenberg, 2017, ISBN: 978-3-933028-80-8
[3]   Wolfgang Volk: Tafeln für Giordano Bruno, Joachim von Lauchen, Kaspar Peuker und Johann Daniel Titius in der Lutherstadt Wittenberg, mathematischer Ort des Monats Oktober 2020
 

Bildnachweis

Tafel   Wolfgang Volk, Berlin, Juli 2022
Gebäudeansicht   Wolfgang Volk, Berlin, Juli 2021
 

1) Vom Nachnamen sind unterschiedlichste Schreibweisen bekannt.
2) Er wurde bereits am 22. Februar in der Schlosskirche zu Wittenberg beigesetzt.
3) Eine Unterscheidung wird bezüglich des jeweiligen Geburtsorts vorgenommen: Vimariensis aus Weimar versus Vratislaviensis aus Breslau, passend zur latinisierten Form des Nachnamens.