Mathematiker des Monats April 2016
Johann Heinrich Lambert (1728-1777)
von Eberhard Knobloch
 
Johann Heinrich Lambert
Johann Heinrich Lambert
 
Als ihm der preußische König Friedrich II. 1764 eine Audienz gewährte und ihn fragte, welche Wissenschaften er vorzüglich verstehe, antwortete Johann Heinrich Lambert „alle“, und auf die anschließende Frage, wie er dieses Wissen erlangt habe, „gleich dem berühmten Pascal durch mich selbst“. Darauf entließ ihn der König ungnädig und weigerte sich ein halbes Jahr, dessen Wahl zum ordentlichen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften zu bestätigen. Erst am 10. Januar 1765 fand er sich dazu bereit, machte freilich seinem Vertrauten Jean Le Rond d’Alembert gegenüber keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber diesem Gelehrten, der nur in Gleichungen und Algebra, nicht aber in den Sprachen der Menschen spreche. Er werde deshalb auf eine Unterhaltung mit ihm verzichten. Später lernte er ihn besser schätzen. Der bis dahin unstete Lambert verbrachte seine letzten zwölf Lebensjahre in Berlin.
Gedenktafel am Geburtshaus
Übersetzung des Texts der Tafel an J. H. Lamberts Geburtshaus aus dem Französischen:

Geburtshaus
von Johann Heinrich Lambert
1728 - 1777

Berühmter Gelehrter,
man verdankt ihm
eine kartografische Projektion,
ein Theorem.

Mitglied der
Königlichen Akademie
Preußens
Lambert war in der Tat ein autodidaktisches Original. Er wurde am 26. August 1728 im damals schweizerischen Mühlhausen im Elsaß, dem heutigen französischen Mulhouse, als Sohn eines Schneiders in ärmliche Verhältnisse hineingeboren. Deshalb musste er schon als Zwölfjähriger die Schule verlassen, um seinem Vater zu helfen. Er bildete sich selbstständig in den verschiedensten Disziplinen fort, wurde Sekretär in Basel, Hauslehrer in Chur, reiste nach Göttingen, Utrecht, Paris, Italien, Augsburg und München, wo er Professor und Gründungsmitglied der Churfüstlichen Akademie der Wissenschaften, der späteren Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde. 1765 schließlich kam er auf Vorschlag seiner schweizerischen Landsleute Johann Georg Sulzer und Leonhard Euler nach Berlin und erhielt die gut bezahlte Stellung eines Oberbaurats, starb jedoch schon am 25. September 1777 im 50. Lebensjahr.
Sein wissenschaftliches Werk umfasst rund fünfzig selbstständige Werke und etwa 150 Abhandlungen. Er war ein Universalgelehrter, der vor allem in der Astronomie, Mathematik und Kartographie, dessen wissenschaftlicher Begründer er ist, Entscheidendes geleistet hat, aber auch in Philosophie und Physik deutliche Spuren hinterlassen hat. Immanuel Kant hat ihn sehr geschätzt, ihm 1770 geschrieben, er halte ihn für das größte Genie Deutschlands und für den Mann, der am besten in der Lage sei, die Philosophie zu reformieren. Keine Zeile wolle er in seinen Werken stehen lassen, die Lambert nicht klar und deutlich finde. Genannt seien Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein (1764) und die Anlage zur Architektonik oder Theorie des Einfache und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß (1771).
Denkmal
Denkmal für J. H. Lambert in Mühlhausen
Plakette
Frontseite des Sockels
Lamberts philosophisch-methodologischem Programm lag die überzeugung von der prinzipiellen Erkennbarkeit der Welt, der Mathematisierbarkeit aller nur denkbaren Wissenschaften im Sinne seiner mathesis universalis zugrunde. So erschloss er der rechnenden und messenden Naturforschung die Photometrie, die Hygrometrie, die Pyrometrie, das heißt die Lehre von der Licht-, Feuchtigkeits- und Wärmemessung. Er ist der erste Autor, der eine allgemeine Fehlertheorie nach mathematisch stringenten Grundsätzen ableitete, zunächst in der Photometria (1760), später in den Beyträgen zum Gebrauch der Mathematik und deren Anwendung (1765).
Zu seinen bleibenden Leistungen in der Mathematik zählt der Nachweis der Irrationalität der Kreiszahl π mit Hilfe von Kettenbrüchen (1761, 1768 gedruckt herausgegeben), die Schriften zur Perspektive (1759, 2. Auflage 1774), die Beiträge zur sphärischen Trigonometrie und vor allem seine Theorie der Parallellinien (1766), die ihn zum Wegbereiter der Nichteuklidischen Geometrien machte. In der Kartographie entwickelte er mehrere Kartenprojektionen, unter anderem die winkeltreue Kegelprojektion (1772).
Straßenschild
Straßenschild in Charlottenburg
In der Astronomie trat er mit Veröffentlichungen zur Bestimmung von Kometenbahnen hervor, in denen er das nach ihm benannte Theorem veröffentlichte, dass in einer parabolischen Bahn die Zeit, in der ein Bogen durchlaufen wird, allein von der Sehne desselben und von der Summe der Radiusvektoren zu ihren Endpunkten abhängt. In der Kosmologie wurden seine Cosmologischen Briefe über die Einrichtung des Weltbaues (1761) berühmt. Für Lambert gab es für keinen Himmelskörper beziehungsweise für kein System einen ausgezeichneten Ort im Kosmos. Seine hierarchische Kosmologie nahm an, dass der Kosmos aus einer unendlichen Folge von Systemen aufgebaut ist. Deshalb muss unsere Galaxie einem übergeordneten System angehören und dieses einem weiteren und so fort. Ein Entwicklungsgedanke lag ihm, anders als Kant, allerdings fern. Im gesamten Kosmos gibt es keine Ruhe, so dass alle Weltkörper, welchem kosmischen System sie auch angehören, in ständiger Bewegung sind. Seit 1772 gab er genaue Ephemeriden heraus und begründete bald darauf zusammen mit Johann Elert Bode das Berliner Astronomische Jahrbuch, das bis 1959 erschien.
 

Referenzen

[1]   Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Band 1, Berlin, 1900, 366f, 436 - 439
[2]   Gerhard Jackisch (Hrsg.): J. H. Lamberts Cosmologische Briefe, Berlin, 1979, 9 - 14 (zur Persönlichkeit Lamberts)
[3]   Franz Christian Joseph: Gedächtnißfeier von Johann Heinrich Lambert begangen in Mühlhausen den 27sten August 1828, Mühlhausen, gedruckt bei Johannes Rißler und Comp.
[4]   Eberhard Knobloch: Zur Genese der Fehlertheorie, in: Albert Heinekamp, Wolfgang Lenzen, Martin Schneider (Hrsg.), Mathesis rationis, Festschrit für Heinrich Schepers, Münster, 1990, 301 - 327
 

Bildnachweis

Porträt   Frontispiz zu [3], Lith. de Engelmann et Cie
Tafel   Wolfgang Volk, Berlin, Tafel am Geburtshaus von Johann Heinrich Lambert in Mühlhausen
Denkmal und
Plakette am Sockel
  Wolfgang Volk, Berlin, Denkmal für Johann Heinrich Lambert in Mühlhausen
Straßenschild   Wolfgang Volk, Berlin, Straßenschilder zu Johann Fabricius, Carl Friedrich Gauß, Johannes Kepler, Johann Heinrich Lambert, Heinrich Olbers, Christoph Scheiner und Hermann Struve in Berlin-Charlottenburg