Mathematiker des Monats August 2015
Niels Henrik Abel (1802-1829)
von Karin Reich
Geboren am 5. August 1802 in Finnøy, einer Insel nahe bei Stavanger, erhielt Niels Henrik Abel zusammen mit seinem
Bruder den ersten Unterricht vom Vater, der Geistlicher war. 1815 konnte Abel seine Ausbildung in der
Kathedralschule von Christiania (heute Oslo) fortsetzen. 1817 wurde dort der nur 7 Jahre ältere
Bernt Michael Holmboe Abels Mathematikerlehrer.
Holmboe war der erste, der Abels herausragende Begabung für Mathematik entdeckte und förderte. Bereits in seinem
letzten Schuljahr beschäftigte sich Abel mit der Lösung der algebraischen Gleichungen 5. Grades. Im Herbst 1821
begann Abel sein Studium an der Universität Christiania, wo ihn vor allem
Christopher Hansteen, der Professor für angewandte Mathematik war,
nach Kräften unterstützte. Abel schloss sein Studium 1822 mit dem sogenannten
Examen philosophicum ab.
Hansteen gründete im Jahre 1823 eine neue Zeitschrift, das „Magazin for Naturvidenskaberne“, in der auch Abel
von Anfang an seine Arbeiten veröffentlichten konnte. Abels erste wissenschaftliche Beiträge erschienen dort
in norwegischer Sprache. Im Jahre 1823 konnte Abel auf Grund eines kleinen Stipendiums erstmals ins Ausland verreisen,
sein Ziel war Kopenhagen, wo er dem dortigen Mathematikprofessor
Carl Ferdinand Degen einen Besuch abstattete.
Wieder in Christiania beschäftigte sich Abel abermals mit der Gleichung fünften Grades; im Jahre 1824 konnte
er in Christiania seine Arbeit „Mémoire sur les équations algébriques, où l'on démontre l'impossibilité de
la résolution de l'équation générale du cinquième degré“, die nur wenige Seiten umfasste und daher nicht
leicht zu verstehen war, drucken lassen. Abel schickte diese Arbeit an
Heinrich Christian Schumacher in Altona, der sie an
Carl Friedrich Gauß weiterleiten sollte. Gauß befand sich damals nicht in
Göttingen, sondern zu geodätischen Messungen in der Umgebung von Bremen. Es ist unklar, ob Gauß Abels Arbeit erhalten hat oder nicht,
es sind keinerlei Reaktionen von Gauß auf diese Arbeit bekannt.
Abel bemühte sich nun um ein längeres Reisestipendium, das ihm auch gewährt wurde. So hielt er sich von
Oktober 1825 bis März 1826 - es war dies das erste Mal - in Berlin auf, wo er, was von großer Bedeutung war,
August Leopold Crelle kennenlernte. Crelle, der damals als Bauingenieur im Innenministerium wirkte,
war im Begriff, eine neue Zeitschrift zu gründen, das
Journal für die reine und angewandte Mathematik,
deren erster Band im Jahre 1826 erschien. Nunmehr standen Abel die Wege offen, seine wissenschaftlichen
Ergebnisse in dieser Zeitschrift in französischer Sprache zu publizieren, allein im Band 1 erschienen
sieben Beiträge von ihm. Darunter befand sich auch die ausführliche Version seiner 1824 veröffentlichten
Arbeit über die Unmöglichkeit einer allgemeinen Lösung der algebraischen Gleichungen 5. Grades.
Von Berlin reiste Abel über Wien, Venedig, Mailand, Turin und die Schweiz nach Paris, wo er am 10.7.1826 eintraf
und 10 Monate blieb. Dort reichte er am 30. Oktober 1826 seine Arbeit „Mémoire sur une propriété générale d'une
classe très étendue de fonctions transcendantes“ bei der Académie des sciences ein, die aber dort nicht
wahrgenommen wurde und in Vergessenheit geriet. Sie wurde erst posthum im Jahre 1841 veröffentlicht.
Diese Arbeit enthielt Abels größte Entdeckung, das später nach ihm benannte „Abelsche Theorem“.
Abel hatte sich in der Zwischenzeit ausführlich mit der Theorie der elliptischen Transzendenten beschäftigt,
ein Arbeitsgebiet, das damals vor allem von
Carl Gustav Jacob Jacobi beherrscht wurde. Beide Wissenschaftler,
Jacobi und Abel, waren Konkurrenten auf diesem Gebiet.
Am 29. Dezember 1826 verließ Abel Paris, um in sein Heimatland zurückzukehren. Dabei stattete er abermals Berlin
einen Besuch ab, wobei man auf seine prekäre wirtschaftliche Situation aufmerksam wurde. Nach einem kurzen
Aufenthalt in Kopenhagen traf Abel nach 20 Monaten Abwesenheit am 20. Mai 1827 wieder in Christiania ein.
Nun war guter Rat teuer, denn eine Stelle konnte er dort nicht bekommen. So musste er sich zunächst mit sehr
kleinen finanziellen Zuwendungen begnügen. Als klar war, dass Hansteen im Frühjahr 1828 zu einer dreijährigen
Expedition nach Sibirien beurlaubt werden würde, übernahm Abel dessen Unterricht, so eine Art Vertretungsprofessur,
wofür er auch ein kleines Salär erhielt.
Inzwischen bemühte sich vor allem Crelle in Berlin, eine Stelle für Abel zu finden, wobei er insbesondere von
Alexander von Humboldt unterstützt wurde.
Leider verstarb Abel bereits am 6. April 1829 in Froland an Lungentuberkulose. Hansteen erfuhr von seinem Tod,
als er sich in St. Petersburg aufhielt. Die gute Nachricht aus Berlin, nämlich die Schaffung einer Dozentenstelle,
erreichte Abel leider nicht mehr. Hansteen, Abels Freund, der Mineraloge
Balthasar Matthias Keilhau,
sowie andere Bewunderer Abels in Norwegen sorgten für ein würdiges
Grabdenkmal in Froland.
Keilhau heiratete später Abels Verlobte.
Als Gauß von Abels Tod erfuhr, schrieb er am 19. Mai 1829 an Schumacher: „Abel's Tod, den ich in keiner Zeitung
angezeigt gesehen habe, ist ein sehr grosser Verlust für die Wissenschaft. Sollte vielleicht irgendwo etwas
die Lebensumstände dieses höchst ausgezeichneten Kopfes betreffende gedruckt sein oder werden,
und Ihnen zu Händen kommen, so bitte ich sehr es mir mitzutheilen. Gern hätte ich auch sein Portrait,
wenn es irgendwo zu haben wäre. Humboldt, mit dem ich über ihn gesprochen, hatte den bestimmten Wunsch,
alles zu thun, um ihn nach Berlin zu ziehen.“
Im Jahre 1830 wurden beide, Jacobi und Abel, mit dem großen Preis der Académie des sciences ausgezeichnet.
Am 6. April 2014 wurde an dem Haus in Berlin „Am Kupfergraben 4A“, wo Abel während seines ersten Aufenthalts
in Berlin gewohnt hatte, eine
Gedenktafel (siehe links) angebracht.
Referenzen
[1] | Carl Anton Bjerknes: Niels Henrik Abel: eine Schilderung seines Lebens und seiner Arbeit, umgearbeitete und gekürzte Ausgabe aus Anlass von Abels 100jährigem Todestag von Dr. V. Bjerknes, Professor an der Universität Oslo. Ins Deutsche übertragen von Else Wegener-Köppen. J. Springer, Berlin 1930. 136 S. | |
[2] | August Leopold Crelle: Nécrologe, Journal für die reine und angewandte Mathematik 4 (1829), 402 - 404 | |
[3] | Wilhelm Lorey: Niels Henrik Abel. Zur hundersten Wiederkehr seines Todestages, Journal für die reine und angewandte Mathematik 161 (1929), 65 - 72 | |
[4] | Magnus Gustaf Mittag-Leffler: Niels Henrik Abel, Paris 1907. 48 S. | |
[5] | Peter Pesic: Abel's proof. An Essay on the Sources and Meaning of Mathematical Unsolvability, an Essay on the Sources and Meaning of Mathematical Unsolvability. The MIT Press, Cambridge Mass., 2003 | |
[6] | Peter Pesic: Abels Beweis, übersetzt von Markus Junker. J. Springer, Berlin 2005, ISBN 978-3-540-27309-7 | |
[7] | Marcus de Sautoy: Die Mondscheinsucher: Mathematiker entschlüsseln das Geheimnis der Symmetrie, aus dem Englischen übersetzt von Stephan Gebauer und Andreas Gebauer. C. H. Beck, München, 2008, ISBN 978-3-406-57670-6 | |
[8] | Arild Stubhaug: Ein aufleuchtender Blitz. Niels Henrik Abel und seine Zeit, aus dem Norwegischen übersetzt von Lothar Schneider. J. Springer, Berlin usw., 2003, ISBN 978-3-540-41879-5 |
Bildnachweis
Porträt | Lizenziert unter Public domain über Wikimedia Commons, Porträt | |
Denkmal | Wolfgang Volk, Berlin, Denkmal für Niels Henrik Abel in Oslo-Blindern | |
Denkmal | Wolfgang Volk, Berlin, Denkmal für Niels Henrik Abel in Oslo | |
Denkmal | Wolfgang Volk, Berlin, Gedenktafel für Niels Henrik Abel in Berlin-Mitte |