Mathematischer Ort des Monats August 2021
Tafel für Erasmus Reinhold in der Lutherstadt Wittenberg
von
Wolfgang Volk
In den ersten Absätzen der Beschreibung des Mathematischen Orts des Monats Oktober 2020,
Tafeln für Giordano Bruno, Joachim von Lauchen, Kaspar Peuker und Johann Daniel Titius
[4], werden die Anfangsjahre der wittenberger Universität Leucorea skizziert.
Dort ist auch ausgewiesen, dass der Lehrstuhl für höhere
Mathematik im Jahre 1525 auf Anregung von
Philipp Melanchthon (1497-1560)
eingerichtet und mit
Johannes Volmar
(?-1536) besetzt wurde.
Unmittelbarer Amtsnachfolger J. Volmars auf diesem Lehrstuhl war seit dem Jahr 1536
Erasmus Reinhold (1511-1553)
[1, Abschnitt 3]. Zuvor studierte dieser ab dem Wintersemester 1530/31 unter anderem bei
Jakob Milich (1501-1559) an der
Leucorea, wo er auch 1535 den akademischen Grad des Magisters der
sieben freien Künste
erwarb.
Zusammen mit
Georg Joachim Rhaeticus
war er einer der ersten Verfechter der kopernikanischen Kosmologie. Da die Lehre des
Nikolaus Kopernikus von den
Reformatoren Wittenbergs entschieden abgelehnt wurde, fühlte sich E. Reinhold verpflichtet,
weiterhin an der ptolemäischen Lehre1) festzuhalten [2].
E. Reinhold hat 1551 die
Prutenischen Tafeln
(„Preußischen Tafeln“) veröffentlicht (siehe auch [3, S. 88]).
Diese waren später auch Grundlage für die Kalenderreform von 1582 unter Papst Gregor XIII.
Referenzen
[1] | Institut für Mathematik der Martin-Luther-Universtät Halle-Wittenberg: Die Mathematikprofessoren der Leucorea, virtuelle Ausstellung | |
[2] | Andreas Kühne: Reinhold, Erasmus (der Ältere), in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 367-368 | |
[3] | Elke Strauchenbruch: WER WAR WO in Wittenberg? Wissenswertes zu 124 Gedenktafeln, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Drei Kastanien Verlag, Wittenberg, 2017, ISBN 978-3-933028-80-8 | |
[4] | Wolfgang Volk: Tafeln für Giordano Bruno, Joachim von Lauchen, Kaspar Peuker und Johann Daniel Titius in der Lutherstadt Wittenberg |
Bildnachweis
Tafel, Wohnhaus | Wolfgang Volk, Berlin, Juli 2021 |
1) Heute weiß man, dass es keinen Unterschied macht,
ob die Erde oder die Sonne ruht. Die Beobachtungen selbst erfolgen nach wie vor vornehmlich auf
der Erde (oder vom erdnahen Orbit). Deshalb macht es durchaus Sinn ein geozentriertes
Koordinatensystem einzusetzen (sofern man bereit ist, die Orientierung an einem stellaren
Objekt – zum Beispiel dem
Früßhlingspunkt –
vorzunehmen. Die keplerschen Gesetze der
Planetenbewegung sind jedoch naheliegenderweise auf die Sonne (beziehungsweise auf den Schwerpunkt
aller Materie innerhalb des Sonnensystems) bezogen. Die Effekte der Transformation zwischen beiden
Systemen haben die Astronomen jahrhundertelang beschäftigt (Schlagworte:
Oppositionsschleifen,
Epizykeltheorie).