Mathematiker des Monats März 2015
Adolf Kneser (1862-1930)
Adolf Kneser begründete die drei Generationen währende Dynastie von bedeutenden
deutschen Mathematikern mit dem Familiennamen Kneser: Sein Sohn
Hellmuth und dessen Sohn
Martin wurden ebenfalls angesehene Professoren der Mathematik.
Er selbst wurde als jüngster von vier Söhnen des Pfarrers Adolf Kneser und dessen
Frau Friederike geb. Kollmann im mecklenburgischen Grüssow am 19. März 1862 geboren.
Der Ort ist seit 2005 ein Ortsteil der Gemeinde Fünfseen in Mecklenburg-Vorpommern.
Sein Pate war der bekannte Physiker Johann Christian Poggendorff. Sein Vater starb,
als er ein Jahr alt war. Daraufhin zog die Mutter mit ihren vier Kindern nach Rostock,
wo Adolf nach dem Abitur ab Ostern 1879 an der Universität Mathematik studierte.
Schon im Jahr darauf veröffentlichte er seine erste Arbeit „Über die atmosphärische
Schallstrahlenbrechung.“
Im dritten Semester ging er an die Universität Berlin, studierte zwischendurch ein
Semester in Heidelberg, um 1884 bei
Leopold Kronecker und
Ernst Eduard Kummer über
„Irreduktibilität und Monodromiegruppe algebraischer Gleichungen“ zu promovieren.
Zugleich galt der Philosophie ein Leben lang sein besonderes Interesse.
Noch in demselben Jahr habilitierte er sich auf Empfehlung Kroneckers an der Universität
Marburg mit einer Schrift „Über einige Fundamentalsätze aus der Theorie der algebraischen
Funktionen von mehreren Variablen“.
1886 habilitierte er sich an die schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau um,
bevor er 1889 zunächst als außerordentlicher, ab 1990 als ordentlicher Professor für
angewandte Mathematik an der deutsch- und russischsprachigen Universität Dorpat mit dem
russischen Namen Juŕev, dem heutigen estnischen Tartu, tätig wurde. Estland gehörte zu
dieser Zeit als Ostseeprovinz zum russischen Reich. Mit seinen russischen Kollegen,
insbesondere
Aleksandr Michailowitsch Ljapunow und
Wladimir Andrejewitsch Steklow,
pflegte er freundschaftliche Beziehungen. In Dorpat lernte er nicht nur seine Frau Laura
geb. Booth kennen, sondern unterrichtete auch seinen bedeutendsten Schüler
Erhard Schmidt,
der später an der Berliner Universität wirkte.
Als politische Spannungen aufkamen, die sich auch gegen die deutsche Sprache an der Universität
auswirkten, nahm er 1900 den Ruf an die Berliner Bergakademie als Nachfolger von
Fritz Kötter an.
Diese Einrichtung wurde ja erst 1916 in die
Technische Hochschule Berlin integriert.
1901 gründete er zusammen mit jüngeren Mathematikern wie
Eugen Jahnke die
Berliner Mathematische Gesellschaft, deren stellvertretender Vorsitzender er im ersten Jahr
und Vorsitzender in den Jahren 1902 bis 1904 wurde.
1905 ging er an die Universität Breslau, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1928 und seinem
Tod am 24. Januar 1930 blieb. Es fehlte nicht an Ehrungen auf Grund seiner wissenschaftlichen Leistungen.
Die Technische Hochschule Breslau verlieh ihm 1922 die Würde eines Doktor-Ingenieurs ehrenhalber.
Die Preußische Akademie der Wissenschaften wählte ihn ebenso wie die Russische Akademie der Wissenschaften
zu ihrem Mitglied. 1911/12 war er Rektor der Breslauer Universität.
Zunächst war Kneser Algebraiker. Davon zeugt insbesondere der Kronecker-Kneser'sche Satz. Aber er besaß auch
ein starkes geometrisches Interesse, wie seine Arbeiten zur Gestalt der ebenen und räumlichen Kurven zeigen.
Am bekanntesten wurde er freilich als Meister der Analysis, der über elliptische Funktionen,
über die
Weierstraß'sche Funktionentheorie, die
Sturm-Liouville'schen Reihen in der Theorie der
gewöhnlichen Differentialgleichungen veröffentlichte. In Dorpat begann der Übergang zur Variationsrechnung
mit Arbeiten zur Mechanik, die die Bewegungen in der Nähe labiler Gleichgewichtslagen betrafen.
In Berlin erschien sein Lehrbuch zur Variationsrechnung, in Breslau dasjenige zu Integralgleichungen.
Referenzen
[1] | Zur Erinnerung an Adolf Kneser. 1930. (Würdigungen von Ernst Lohmeyer, Richard Hönigswald, Clemens Schaefer, Johann Radon, Lothar Koschmieder) | |
[2] | Erich Donnert: Die Universität Dorpat-Juŕev 1802-1918, Ein Beitrag zur Geschichte des Hochschulwesens in den Ostseeprovinzen des Russischen Reiches. Verlag Peter Lang, Frankfurt a. M., 2007, S. 149ff, ISBN 978-3-631564-77-6 | |
[3] | Eberhard Knobloch: Mathematik an der Technischen Hochschule und der Technischen Universität Berlin 1770-1988, Berlin, 1998, S. 9ff, ISBN 978-3-929134-20-9 | |
[4] | Lothar Koschmieder: Adolf Kneser. In: Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft 29 (1930), S. 78 - 102 | |
[5] | Photographien - Album der Curatoren, Professoren, Docenten und Beamten der Königlichen Universität in Breslau (seit 1861), Archiv der Universität Wrocław, Sign. S-168 |
Bildnachweis
Porträt | ist dem Titelblatt von [1] entnommen. | |
Porträt mit Namen usw. | ist [5], S. 59 entnommen und mit freundlicher Genehmigung des Muzeum Uniwersytetu Wrocławskiego hier wiedergegeben.. |