Mathematiker des Monats April 2020
Johann Georg Soldner (1776-1833)
von Wolfgang Volk
 
Die Sterne habe ich vermessen –
und das Land Bayern.
 
Johann Georg Soldner
Johann Georg Soldner
 
Johann Georg Soldner1) wurde am 16. Juli 1776 auf dem Georgenhof nahe der fränkischen Kleinstadt Feuchtwangen geboren. Zur damaligen Zeit gehörte Feuchtwangen und seine Umgebung zum Fürstentum Brandenburg-Ansbach, das vom Markgrafen Christian Friedrich Karl Alexander (1736-1806) aus dem Hause Hohenzollern regiert wurde. Dieser blieb kinderlos und da Preußen ihn daher – gemäß dem Friedenvertrag von Teschen vom 13. Mai 1779 – sowieso beerbt hätte, trat er bereits am 16. Januar 1791 in einem Geheimvertrag gegen Zahlung einer Leibrente seine Fürstentümer an Preußen ab. Am 15. Dezember 1805 (Vertrag von Schönbrunn) fiel unter anderem das Fürstentum Ansbach im Tausch gegen das Kurfürstentum Hannover an Frankreich und 1806 im Zuge der napoleonischen Neuordnung Deutschlands an das Königreich Bayern.
Der vorzeitige Übergang der Fürstentümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth an Preußen wurde von preußischer Seite vom Freiherrn Karl August von Hardenberg (1750-1822) betrieben, der danach auch Ressortminister für das Fürstentum Ansbach war [4, Fußnote auf S. 81]. Vom Freiherrn von Hardenberg wird hier noch mehrfach die Rede sein.
Georgenhof
der Georgenhof bei Feuchtwangen
Gedenktafel am Georgenhof
am Georgenhof angebrachte Gedenktafel für Johann Georg Soldner2)
 

Jugendjahre

Die Eltern von Johann Georg Soldner waren der Halbbauer Johann Andreas Soldner (1750-1802) und Anna Margarete geb. Möbius (1752-1830), die den Georgenhof besaßen und bewirtschafteten. Die Schulbildung Soldners entsprach zunächst der, wie er selbst schreibt, „… (wenn man es so nennen darf) welche ein Bauernjunge gewöhnlich erhält, und die in sogenannten Religionsunterricht und Bibellesen besteht; überdies hatte ich das Schicksal, dass mein Lehrer, in dieser Periode, besonders unwissend und seiner Profession ein Korbmacher war. In meinem zwölften Jahre ließen mir meine Eltern bei einem Kantor in Feuchtwang Unterricht in der Rechenkunst geben, was in dortiger Gegend mehrere Bauern thun.“
So beginnt ein Text, den Soldner mit „Die Geschichte meiner Jugendjahre, bis zu meiner Ankunft in Ansbach“ betitelt und er „auf Begehren Sr. Exzellenz des Staats-Ministers Freiherrn von Hardenberg aufgesetzt“ hat3).
In diesem Text führt Soldner weiter aus, wie er in einem Kalender das Ein-mal-Eins in Form einer Pythagoräischen Tafel entdeckt und seinen Gedanken zur Bestimmung der Flächeninhalte von Rechtecken, rechtwinkliger Dreiecke, allgemeiner Dreiecke, beliebiger Figuren4) (zumindest teilweise beim Ochsenhüten auf der Weide) nachgeht und schließt „und so war das ganze vermeintliche Geheimnis des Feldmessens mein Eigentum“. Aus diesem Text erfährt man unter anderem auch, dass er sich Gedanken zur Bestimmung der Entfernung zur Sonne machte, und enttäuscht war, als er erfuhr, dass die Erde Kugelgestalt besitzt und damit seine Theorie der Grundlage beraubt. Man erfährt von seinem Interesse am Feldmessen und der Mathematik, dem jugendlichen Anspruch des Suchens nach Lösungen bei Aufgabenstellungen, die für andere zu schwierig sind und dem wachsenden Wunsch, Mathematik zu studieren.
Weiterhin ist diesem Text zu entnehmen, dass Soldner im Alter von knapp 20 Jahren nach Ansbach kam und zuvor bei Rektor Funk zwei Jahre in Feuchtwangen Unterricht im Lateinischen und Französischen erhielt. Der Passus endet „… und kam darauf im Frühjahr 1796 nach Ansbach, wo ich mein Studium in Sprachen und vorzüglich in der Mathematik durch Privatissima fortsetzte.“
Es ist nicht belegt, dass Soldner je eine Reifeprüfung ablegte und ausgeschlossen, dass er ein Sudium nach heutiger Lesart überhaupt begonnen hat5). Ein Großneffe (Ökonomierat Christian Friedrich Soldner) wird in [4, S. 79] mit der Aussage zitiert, dass J. G. Soldner um das Jahr 1798 in den Dienst des damals in Ansbach liegenden Husarenregiments trat, aber nach kurzer Zeit als dienstuntauglich entlassen wurde (siehe auch [5, S. 2]).

Berliner Zeit

Gemäß [2] setzte Soldner ab 1799 bei Johann Elert Bode (1747-1826) an der Berliner Sternwarte seine Ausbildung fort (siehe auch [5, S. 2]). Im Nachlass von Bode (soweit im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften [BBAW] vorhanden) findet man in den handschriftlichen Aufzeichnungen jedenfalls in der Zeit von 1799 bis 1808 keinen Hinweis auf Soldner.
Allerdings befindet sich im Archiv der BBAW eine Art Personalakte des Akademiemitglieds und Königlichen dirigirenden Geheimen Ober-Finanz-, Krieges- und Domänen-Raths Albrecht August Heinrich Borgstede (1757-1824) zu Soldner. Diese enthält einen Brief von Hardenberg vom 28. Juny 1801 adressiert an die KAdW hierselbst, den dieser auf der Grundlage eines Schreibens vom König Friedrich Wilhelm (1770-1840) vom 25. Juny 1801 verfasste, das in dieser Akte in einer Abschrift vorliegt. Letzteres soll nachstehend wiedergegeben werden:
Mein lieber Staatsminister Freiherr von Hardenberg. Die eigen Entwicklung der seltenen Talente des jungen Soldner aus dem Ansbachschen, über welche Ihr unterm 19n d. M. berichtet habt, habe Ich sehr interessant gefunden. Der Mann verspricht hiernach allerdings nützliche Dienste für die Zukunft und verdient deshalb eben so sehr aufgemuntert zu werden als er Unterstützung bei seinem erschöpften Vermögen bedarf. Zu dieser Rücksicht gebe Ich ihm, bis sich zu seiner Anstellung im astronomischen oder mathematischen Fach besonders bei der Akademie Gelegenheit finden wird, eine jährliche Pension von 200 rthr aus der Dispositionskasse dato bewilligend, Euch aber trage ich auf, nicht nur selbst bei erster Gelegenheit auf seine convenable Anstellung bedacht zu seyn; sondern denselben auch anderen Behörden dazu angelegentlichst zu empfehlen. Ich verbleibe Euer wohlaffektionierter König.
Charlottenburg 25 Juny 1801
Friedrich Wilhelm
Ergänzend dazu enthält die Akte noch ein Antwortschreiben vom 5. July 1801 an den Freiherrn von Hardenberg Excellenz, das von den Akademiemitgliedern Johann Bernhard Merian (1723-1807), Albrecht August Heinrich Borgstede und Frédéric de Castillon (1747-1814) unterzeichnet ist. Borgstede nahm ausnahmsweise an der Akademiesitzung am 9. Juli 1801 teil – aus der Dokumentation zu dieser Sitzung geht allerdings nicht hervor, ob über Soldner gesprochen wurde.
Aus der Zeit 1799-1808, die Soldner in Berlin verbrachte, gibt es nur punktuelle Anhaltspunkte, mit welchen Themen er sich beschäftigt hat. Dass er, wie in der Order des Königs angeregt, jemals eine Anstellung gefunden hat, muss bezweifelt werden.
Allerdings hat Soldner während seiner berliner Zeit eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht (siehe [4, S. 60]):
  • Über die Bahn des von Piazzi entdeckten Kometen, Monatl. Korresp.6) IV (1801)
  • Über die relative Bewegung und Aberration der Fixsterne, Bodes Jahrbuch7) 1803
  • Über die Ablenkung eines Lichtstrahls von seiner geradlinigen Bewegung, Bodes Jahrbuch7) 1804
  • Vorschlag zu einer Gradmessung in Afrika, Monatl. Korresp6) IX (Aprilheft 1804), S. 357
  • Über die kürzeste Linie auf dem Sphäroide, Monatl. Korresp6) XI (1805)
  • Über die allgemeinen Gesetze der Expansivkraft des Wasserdampfes durch Wärme, nach Daltons Versuchen, Gilberts Annalen XVII. Bd. (1804), S. 44 und XXV. Bd. (1807), S. 411
  • Über die schwedische Gradmessung, Bodes Jahrbuch7) 1806
Bemerkenswert ist auch das von Soldner verfasste Buch Théorie et tables d'une nouvelle fonction transcendante, das 1809 in München erschien und worin er den Integrallogarithmus behandelt. Bereits zu seiner berliner Zeit hat sich Soldner mit dieser Funktion beschäftigt.
Zudem gibt es Hinweise, dass Soldner um das Jahr 1804 auch vermessungstechnische Vorbereitungen für eine Triangulierung seiner Heimat, des Fürstentums Ansbach durchführte. (In [5, S. 3] wird das Jahr 1805 genannt.) In dieser Zeit dürfte er auch den früheren Benediktinerpater und Astronomen Ulrich Schiegg (1752-1819) persönlich kennengelernt haben. Nach [1, S. 6] und [5, S. 3] erhielt Soldner von seinem Landesherrn, dem König Friedrich Wilhelm III., den Auftrag die Triangulation im Fürstentum Ansbach durchzuführen – die Arbeiten wurden aber wegen der unglücklichen Kriegsereignisse 1806 eingestellt.
Auf Bitten Schieggs erhält Soldner vom Freiherrn von Hardenberg die Erlaubnis – inzwischen war das Fürstentum Ansbach zum Königreich Bayern gehörig – Kopien seiner Ausarbeitungen an Schiegg senden zu dürfen. Denn in einem Brief an Schiegg, datiert vom 13. November 1806, informiert er den Adressaten, dass die Akten zum Ansbachschen Dreiecksnetz versandt wurden – und beklagt gleichzeitig seine prekäre Lage, in die er durch das Vorenthalten seiner ihm vom preußischen König zugesagten Pension geraten war [4, S. 13].
In der Folge bemühte sich Schiegg, Soldner zu einem Wechsel nach Bayern zu bewegen. Am 24. Januar 1808 wurde in München die Königliche Unmittelbare Steuerrektifikations-Kommission8) gebildet, unter der eine Steuervermessung Bayerns durchgeführt werden sollte. Schiegg beeilte sich, Soldner dies mitzuteilen und ihn aufzufordern, sich auf eine der neu einzurichtenden Stellen zu bewerben. Soldner sandte am 29. Februar seine Bewerbung [4, S. 97f] mit einem Begleitschreiben an Schiegg, in dem er (Soldner) aber befürchtet, gegebenenfalls zu niederen Vermessungsarbeiten herangezogen zu werden, und betont „…, denn ich bin einmal entschlossen, als Mathematiker zu leben und zu sterben“ (siehe auch [5, S. 5]).

Münchner Zeit

Soldners Bewerbung konnte bei den damaligen Laufzeiten der Briefpost noch gar nicht in München angekommen sein, als er bereits von seiner Anstellung erfährt9). Im Brief vom 5. März, in dem Schiegg Soldner von seiner Anstellung informiert, schreibt dieser, dass er (Soldner) vorläufig dafür bestimmt sei, seine (Schiegg) Triangulationsarbeiten in Franken fortzusetzen [4, S. 17]. Bereits Anfang April des Jahres 1808 trifft Soldner in München ein.
Bereits zwei Monate später, am 3. Mai 1808, wird Soldner zum Assessor befördert [1] und im Juni 1808 weist Schiegg seinen Mitarbeiter Soldner an, der Kommission ein in das trigonometrische Fach einschlagendes Gutachten vorzulegen. Dies mag der Anlass für die Denkschrift „Über die Berechnung eines geodätischen Dreiecksnetzes und die Ermittlung der sphärischen Koordinaten der Dreieckspunkte“ gewesen sein, die Soldner der Kommission am 5. Mai 1810 vorlegte und mit der Soldner die Grundlagen für eine neue geodätische Ära schuf [4, S. 18], [5, S. 10].
In seiner münchner Zeit veröffentlichte Soldner – neben dem Buch [7] – noch folgende Arbeiten (siehe [4, S. 60]):
  • Über den Einfluss der Feuchtigkeit auf das barometrische Höhenmessen, Formel; u. von den Wolken, u. ein neues Hygrometer, Gilberts Annalen Bd. XXXII (1809), S. 204
  • Über seine „nouvelle fonction“, Monatl. Korresp. Bd. XXIII (1810), S. 182
  • Theorie des Lichts, der Wärme und von einer Arbeit aus der Integralrechnung, Gilberts Annalen Bd. XXXIX (1811), S. 231
  • Über die Länge von München, Monatl. Korresp. Bd. XXVI (Augustheft 1812), S. 10410)
  • Bestimmung des Azimuts von Altomünster, u. dadurch der Lage des Meridians auf dem nördlichen Frauenturm zu München, München, 1813
  • Neue Methode beobachtete Azimute zu reduzieren, Denkschrift der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu München, 1813, S. 365-378
  • Über die Reduktion astron. Beob. auf einen gemeinschaftl. Punkt, Bodes Jahrbuch7), 1818
  • Rechnungen in Bezug auf die Mondtheorie, Monatl. Korresp.6) 28. Bd. (1813), S. 104
  • Astronomische Mitteilungen, Bohnenberger-Lindenau, Zeitschr. f. Astr. II (1816) und III (1817)
  • Beobachtung der Kometen vom Juli 1819, Bodes Jahrbuch7), 1823
  • Über den Sonnendurchmesser, Bodes Astronom. Jahrbuch7) 1823
  • Astronomische Mitteilungen, Schumacher, Astr. Nachrichten Bd. I-XII
  • Astronomische Beobachtungen von 1819-1827 auf der Sternwarte zu Bogenhausen, 3. Bd. 1833-1835
  • Meteorologische Beobachtungen, aufgezeichnet auf der Sternwarte zu Bogenhausen in den Jahren 1825-1837 von Soldner und Lamont, München 1837
Anlass für seine Beschäftigung mit dem Integrallogarithmus ist dessen Anwendung im Zusammenhang mit der sogenannten 1. geodätischen Hauptaufgabe der höheren Geodäsie, das heißt die Bestimmung der geografischen Koordinaten aus Azimut in und Entfernung von einem gegebenen anderen Punkt [5, S. 13].
Am 13. März 1811 wird Soldner zum Steuerrat bei der Unmittelbaren Steuerkatasterkommission befördert [1] und wirkte bis 1818 beratend bei der Steuervermessungskommission mit [2]. Per Dekret vom 24. Februar 1813 wird Soldner zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt [1].
Am 26. November 1815 wird Soldner zum königlichen Hofastronomen befördert und leitet ab 1816 die Sternwarte in München-Bogenhausen, die es allerdings erst noch zu erbauen gilt. Zu dieser Änderung der dienstlichen Stellung Soldners mögen noch zwei Umstände beigetragen haben. Zum einen standen die Triangulierungsarbeiten vor ihrer Vollendung und zum zweiten hatte Soldner wegen Atmungsbeschwerden schon diese Tätigkeit aufgeben müssen [1, S. 9]. In [4, S. 10] wird ein anderer Grund genannt, den hier auszuführen, allerdings zu weit führen würde. Erst im September 1818 konnte er die Dienstwohnung in der neuen Sternwarte beziehen und anschließend die kostbaren neuen Instrumente der Sternwarte aus den Werkstätten von Joseph Fraunhofer , Georg Friedrich Reichenbach und Joseph Utzschneider11) auf ihre Leistungsfähigkeit prüfen. Seine Ergebnisse trugen sehr zum guten Ruf dieser Werkstätten bei.
Ein Leberleiden zwang Soldner später der praktischen Astronomie ganz zu entsagen und so übertrug er 1828 seinem Gehilfen und späteren Nachfolger im Amt, Johann Lamont (1805-1879), die Durchführung der astronomischen Beobachtungen und beschränkte sich fortan auf die Leitung der Sternwarte [4, S. 12], [1].
Am 13. Mai 1833 starb J. G. Soldner. Auch zwei seiner Geschwister folgten dem Leichenzug, der sich am 15. Mai, abends um 6 Uhr von der Königlichen Sternwarte zum Bogenhauser Kirchhof in Bewegung setzte. Seine Ruhestätte an der Westseite der Kirche bezeichnete eine schlichte Tafel. Im Jahr 1892 ließ das Königliche bayerische Katasterbureau – die Grabtafel war inzwischen verfallen – neben der Eingangstür der Kirche (heute: katholische Kirche St. Georg, Bogenhauser Kirchplatz 1, 81675 München) die nachstehend wiedergegebene Gedenktafel anbringen.
Gedenktafel auf dem Bogenhausener Kirchhof
Gedenktafel für Johann Georg Soldner neben dem Eingang der Kirche St. Georg
 

J. G. Soldner und C. F. Gauß

Soldner wendet sich mit einem Brief vom 15. Dezember 1814 an Carl Friedrich Gauß (1777-1855), worin er ihm von seinem Missgeschick berichtet, das ihn wegen seiner Abhandlung über die neue Art der Azimutreduktion ereilt hatte. Soldner bemerkt in diesem Brief, dass diese Abhandlung seine erste und letzte in den Denkschriften der Akademie sein werde, da sie Anlass zu Streit gegeben habe. Ihm sei gesagt worden, dass die Abhandlung der Akademie unwürdig und die Ergebnisse schon längst publiziert seien.
Gauß bespricht Soldners Abhandlung über Azimutreduktion im Göttingische Gelehrte-Anzeigen, 46. Stück (1815), S. 440, wobei er folgendes schreibt: „… Das hier kürzlich beschriebene Verfahren …. Es ist so einfach und liegt so nahe, daß man sich wundern muß, daß es mehrere praktische Astronomen bei derselben oder bei ganz ähnlichen Untersuchungen entgangen ist. Eben deswegen verdient Hr. Soldner … den Dank … um so mehr, da er die Entwicklungen auf eine geschickte und elegante Art durchgeführt, und die Endresultate … in eine ganz geschmeidige Form gebracht hat.“ [4, S. 160].
Bereits im Brief an Gauß datiert mit 28. Februar 1815 beklagt Soldner den „trostlosen Zustand der Mathematik bei der hiesigen Akademie“ und schreibt: „Ich wäre gerne wieder in Berlin, vielleicht könnten Sie auch etwas beitragen." [4, S. 117].
Am 18. April 1816 tritt Gauß eine Reise von Göttingen nach München an. Es ist nicht überliefert, ob Gauß und Soldner sich getroffen haben – es ist aber sehr wahrscheinlich, berichtet doch Gauß in seinem Brief an Heinrich Wilhelm Olbers (1758-1840) vom 4. Juli 1816 recht detailliert über die Instrumente, die Soldner zur Verfügung stehen und schreibt unter anderem [4, S. 42]: „Schöne Reichenbach'sche Instrumente sind da: ein Mittagfernrohr, Äquatorial, dreifüßiger Repetitionskreis; allein die Sternwarte muß erst noch gebaut werden.“
In den Briefen Soldners an Gauß zwischen 1816 und 1823 ist überwiegend von einer von Gauß bei Joseph Liebherr11) (1767-1840) bestellten Uhr, die Soldner auch vor dem Versand überprüfte, und von Ergebnissen astronomischer Beobachtungen die Rede.
In einem Brief an Gauß vom 26 Dezember 1823 äußert sich Soldner im Nachsatz despektierlich zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften12) und schreibt: „Das Leben wird mir hier je länger je mehr unerträglich; wenn ich wieder nach Berlin kommen könnte! Ich würde mir sehr viel gefallen lassen.“ (Siehe [4, S. 137].) Im Brief Gauß' an Olbers vom 19. Januar 1825 ist davon die Rede, dass er (Gauß) einen Brief von Bernhard August von Lindenau13) (1779-1854) erhalten hat, wo dieser (Gauß) um ein komparatives Urteil über die Kandidaten auf die Nachfolge von Johann Georg Tralles (1763-1822) Carl Brandan Mollweide (1774-1825) und Carl Heribert Ignatz Buzengeiger (1771-1835) bittet. Dies lehnt Gauß zwar ab, benennt aber Soldner ebenfalls als möglichen Nachfolger von Tralles – jedoch genauso ohne eine Beurteilung [4, Fußnote 60 auf S. 42], was wohl dazu führt, dass Soldner als Nachfolger von Tralles nicht in Betracht gezogen wird.
Im November 1823 wendet sich Gauß an Soldner und erbittet die im bayrischen Dreiecksnetz gemessenen Winkelwerte. Hintergrund ist, dass Abweichungen von gemessenen Polhöhen durch C. F. Gauß in Göttingen und Heinrich Christian Schumacher (1780-1850) in Altona nicht mit der aus den Dreiecksnetzen abgeleiteten Entfernung übereinstimmen und Gauß nun eine entsprechende Rechnung für die in Göttingen und in München gemessenen Polhöhen anstellen möchte. Letztlich werden die gewünschten Winkelwerte erst im Jahr 1827 von Utzschneider an Gauß gesandt, wobei sich bei Gauß inzwischen Frustration eingestellt hat, da Soldner von den maßgeblichen Dienststellen keine Erlaubnis zur Übersendung von Daten erhält und so der Briefwechsel zwischen Soldner und Gauß 1824 endet. Dabei ist auch zu beklagen, dass Gauß den Ideen Soldners nicht viel Interesse entgegengebracht hat, was seinerseits bei Soldner für Verdruss sorgte [4, S. 39f].

Schlussbemerkungen

Die einzige echt positive Nullstelle des Integrallogarithmus (vergleiche [7, S. 42]) 1,451369234… wird auch Ramanujan-Soldner-Konstante bezeichnet, obwohl Lorenzo Mascheroni (1750-1800) diesen Wert bereits wenige Jahre vor Soldner berechnet hat.
Ein (lokales) Koordinatensystem auf der Grundlage der mittabstandtreuen transversalen Zylinderprojektion, so wie es auch bei der ersten bayerischen Landesaufnahme – mit der Helmstange des nördlichen Turms der münchner Frauenkirche (eigentlich: Dom zu Unserer Lieben Frau) als Koordinatenursprung – eingesetzt wurde, wird Soldner-Koordinatensystem genannt. Ein derartiges Koordinatensystem mit dem Ursprung auf dem Müggelberg wurde – wegen der zeitweiligen Insellage Westberlins – bis ins Jahr 2015 für das Stadtgebiet Berlins eingesetzt.
Denkmal in Lehel
Denkmal für J. G. Soldner im münchner Ortsteil Lehel
Inschrift
Inschrift am Denkmal: Die Sterne habe ich vermessen – und das Land Bayern
 

Referenzen

[1]   Carl Max von Bauernfeind: Johann Georg von Soldner und sein System der Bayerischen Landesvermessun, Ausarbeitung des Vortrags gehalten bei der Jahresschlussfeier der Königlichen Technischen Hochschule in München am 27. Juli 1885
[2]   Martin Beblo: Soldner, Johann von, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 547-549 (Online-Version)
[3]   Björn Uwe Kambeck: Firmengeschichte Fraunhofer
[4]   Franz Johann Müller: Johann Georg von Soldner, der Geodät, Dissertation, Kgl. Technische Hochschule zu München, München, 1914, Festschrift zur Feier der Enthüllung der vom bayr. Vermessungsbeamtenverein am Georgenhofe zu Ehren Soldner's angebrachten Gedächtnistafel, erweiteter Sonderabdruck aus dem XVII. Bande (1915) in der Zeitschrift des Vereins der höheren bayr. Vermessungsbeamten
[5]   Franz Past: Johann Georg von Soldner (1776-1833) und seine Zeit, Veröffentlichungen der Bayerischen Kommission für die Internationale Erdmessung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Astronomisch-Geodätische Arbeiten, Heft Nr. 62, Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Kommission beim Verlag C. H. Beck, München, 2005, ISBN: 3-7696-9624-7
[6]   Max Seeberger: Wie Bayern vermessen wurde, unter Mitarbeit von Frank Holl und mit einem Vorwort von Evamaria Brockhoff und Josef Kirmeier, Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Band 26, Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg, 2001
[7]   Johann Georg Soldner: Théorie et tables d'une nouvelle fonction transcendante, München, 1809
[8]   Instruktionen für die bey der Steuer-Messung im Königreiche Baiern arbeitenden Geometer und Geodäten, auf Seiner königlichen Majestät von Baiern allerhöchsten Befehl in Druck gelegt, München den 12. April 1808
 

Bildnachweis

Porträt   Das Bild von Johann Georg von Soldner 1776-1833, dem ersten Direktor der Sternwarte Bogenhausen, nach einem Porträt von 1816 ist gemeinfrei. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Johann_Georg_Soldner_2.jpg
Geburtshaus mit Gedenktafel   Wolfgang Volk, Berlin, August 2008, siehe Gedenktafel am Geburtshaus von Johann Georg Soldner bei Feuchtwangen
Gedenktafel   Wolfgang Volk, Berlin, März 2008, siehe Grabinschrift für Johann Georg von Soldner in München-Bogenhausen
Denkmal mit Inschrift   Wolfgang Volk, Berlin, März 2008, siehe Denkmal für Johann Georg von Soldner in München

1) Etliche der in diesem Artikel genannten Personen wurden aufgrund ihrer Lebensleistungen in den persönlichen (und nicht vererbbaren) Adelsstand erhoben. Es sind dies in alphabetischer Reihenfolge
  • Joseph Fraunhofer 1924,
  • Georg Friedrich Reichenbach 1813 (bayerisch Transmissionsadel),
  • Johann Georg Soldner 1825,
  • Joseph Utzschneider im Jahr 1808 und
  • Franz Xaver Zach im Jahr 1801.
In diesem Artikel wird das Adelsprädikat „von“ zwecks besserer Lesbarkeit bei diesen Personen prinzipiell weggelassen.
2) Die Dissertation von Franz Johann Müller wurde in geringfügig ergänzter Gestalt als Festschrift zur Enthüllung dieser Gedenktafel deklariert.
3) Dieser Text ist erstmalig in Anlage 1 in [4, S. 81-89] veröffentlicht worden – er ist aber leider undatiert.
4) Es dürfte sich hier lediglich um polygonal berandete Gebiete in der Ebene handeln.
5) So schreibt Soldner in einem Brief vom 15. Dezember 1806 an Ulrich Schiegg: „… dass ich mich nie habe entschließen können, den vorteilhaften Vokationen nach dem Ausland zu folgen; (ich habe 3 verschiedene nach Rußland erhalten,) es kommt auf die Umstände an. – Zum Professor auf einer Universität würde ich wohl nicht ganz passen. Sie wissen, daß ich nicht auf dem gewöhnlichen Weg studiert habe, ich bin daher mit dem ganz eigenthümlichen Universitätswesen unbekannt …“ [4, S. 93].
6) Die Monatliche Korrespondenz [zur Beförderung der Erd- und Himmels-Kunde] war in den Jahren 1800-1806 von Franz Xaver Zach (1754-1832) und anschließend bis 1813 von Bernhard August von Lindenau (1779-1854) herausgegeben worden.
7) Was hier salopp als Bodes Jahrbuch genannt wird bezeichnet das Berliner Astronomische Jahrbuch, das von 1774 von Johann Heinrich Lambert und Johann Elert Bode begründet und nach Lamberts Tod im Jahr 1777 bis 1826 von Bode alleine herausgegeben wurde.
8) Ein Relikt dieses Vorgangs dürfte [8] sein.
9) In einem Brief vom 15. März an Schiegg weist Soldner unter anderem darauf hin, dass der preußische Minister Freiherr v. Stein ihn ungern ziehen lassen wolle [4, S. 18].
10) Die Vertrauenswürdigkeit der Angaben in [4] muss leider infrage gestellt werden. Die Ausgaben der Zeitschrift Monatliche Korrespondenz, sind online einzusehen und weisen für den Artikel „Untersuchungen über die Länge von München“ von „Herrn Soldner in München“ in der Augustausgabe die Seiten 164-174 aus!
11) 1802 gründeten G. Reichenbach und J. Liebherr das Mechanische Institut bei dem 1804 J. Utzschneider Teilhaber wird. Teil dieses Instituts ist das Optische Institut von J. Utzschneider und G. Reichenbach in das 1806 J. Fraunhofer als Mitarbeiter eintritt. 1813 scheidet J. Liebherr aus dem Mechanischen Institut aus, und 1814 wird Fraunhofer Teilhaber des Optischen Instituts. Weitere Details sind bitte [3] zu entnehmen, wobei sich im Wikipedia-Artikel zum Mathematisch-Feinmechanischen Institut die Geschichte etwas anders darstellt. Immerhin sind die beteiligten Personen identisch.
12) wörtlich: „Mit der hiesigen Akademie d. W, welche eigentlich nie etwas anders als ein pedantisches B u r e a u war, ist jetzt eine Art Volks-Theater verbunden worden!“
13) Im Brief selbst ist lediglich „Lindenau“ – kein Vorname, kein Adelsprädikat – genannt. Dabei weist der Wikipedia-Artikel über Bernhard August von Lindenau eine deutliche Nähe zu C. F. Gauß aus, während der Artikel Der Sammler Bernhard August von Lindenau: „Der Jugend zur Belehrung“ auch benennt, dass B. A. v. Lindenau u. a. auch Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften war. Es ist durchaus denkbar, dass von Lindenau in dieser Funktion eine komparative Beurteilung von Gauß wünschte, war doch Tralles auch Mitglied der Akademie.