Mathematischer Ort des Monats Januar 2019
Geburtshaus von Hans Freudenthal in Luckenwalde
von
Wolfgang Volk
„Dieses Haus, // 1897 erbaut als Synagoge, // war Zeuge des Unrechts, // das jüdische
Mitbürger // unter der faschistischen // Diktatur erleiden mußten“ ist auf der
dunklen Marmortafel über dem Hauseingang des Gebäudes in der Puschkinstr. 38 zu
lesen.
Vor dem Hauseingang dieses Gebäudes ist eine Stele errichtet,
welche straßenseitig einen geschichtlichen Abriss der jüdischen Gemeinde
Luckenwaldes zeigt (siehe auch [3, S. 22f]). Auf der Rückseite der Stele sind die
während der
Schoah verfolgten
und umgekommenen luckenwalder Juden namentlich genannt.
Joseph Freudenthal
war Religionslehrer sowie Kantor und Chronist der Synagogengemeinde zu Luckenwalde.
Er bewohnte mit seiner Ehefrau Elsbeth ab dem Jahr 1903 die kleine sogenannte
„Pförtnerwohnung“ im ersten Obergeschoss der Synagoge [1]1).
Deren Sohn, der Mathematiker und Mathematik-Didaktiker
Hans Freudenthal, kam 1905 in diesem
Gebäude zur Welt, später auch seine Schwester Lotte. 1914 zog die Familie Freudenthal
hier aus in eine größere Wohnung.
Im September 1990 wurde Hans Freudenthal die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt verliehen –
er verstarb allerdings bereits im darauffolgenden Monat.
Anlässlich des 100. Geburtstags Hans Freudenthals wurde an dessen Geburtshaus im Beisein
seiner Tochter Mirjam van der Velden-Freudenthal und des Enkels Bastiaan van der Velden am
9. November 2005 die nachstehend abgebildete Gedenktafel enthüllt.
In der sich anschließenden Feierstunde im Sitzungssaal des Rathauses (siehe [4])
sprach unter anderem auch
Christine
Keitel über ihren Lehrer Hans Freudenthal.
Ein Artikel von ihr, der Ihre Erinnerungen darlegt [2], ist im gleichen Jahr in den
DMV-Mitteilungen erschienen.
Die Elemente der von
Manfred
Stenzel
geschaffenen Gedenktafel sollen im Folgenden beschrieben werden:
- Links oben ist in etwas eigenwilliger Gestaltung der Sinnspruch „SOL IUSTITAE ILLUSTRA NOS“ in lateinischer Sprache zu lesen. Es ist der Spruch, den die Universität Utrecht im Siegel/Logo führt, an der Hans Freudenthal von 1946 bis 1975 einen Lehrstuhl innehatte. Dieser Sinnspruch lässt sich durch „Sonne der Gerechtigkeit, erleuchte uns!“ ins Deutsche übersetzen.
- Rechts daneben wird der Name des Geehrten einmal als Unterschrift und in Druckbuchstaben genannt.
- Auf der linken Seite unter dem Sinnspruch ist die charakterisierende Berufsbezeichnung Didaktiker der mathematischen Wissenschaften zu lesen.
- Wiederum rechts davon sind die Lebensdaten 17. Sept[ember] 1905 und 13. Okt[ober] 1990 zusammen mit dem Geburtsort „in diesem Haus“ und den Sterbeort Utrecht angegeben.
- Letztlich ist unten noch der Hinweis ergänzt, dass Hans Freudenthal „jüdischer Ehrenbürger von Luckenwalde“ war.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass vor dem Gebäude noch zwei
Stolpersteine für
Malwine Rosenthal und Wolfgang Leubuscher
(siehe [5]) in den Bürgersteig
eingelassen sind.
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge beheimatet heute die Neuapostolische Kirche.
Letztlich sei noch bemerkt, dass Hans Freudenthal, der Mathematiker
Paul Max Koebe
und der Chemiker
Carl Dietrich Harries auf
Stelen vor dem Bahnhof Luckenwalde gewürdigt werden.
Es gibt (mindestens) noch einen weiteren mathematischen Ort in Luckenwalde – eine
künstlerisch verbrämte
Figur zum Satz des Pythagoras am Stadtarchiv.
Referenzen
[1] | Joseph Freudenthal: Chronik der Synagogengemeinde zu Luckenwalde und deren Vorgeschichte, erg. und hrsg. von Detlev Riemer, 1. Aufl., Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam, 1997, ISBN: 3-930850-76-1 | |
[2] | Christine Keitel: Erinnerungen an Hans Freudenthal (1905–1990), DMV-Mitteilungen 13-3 (2005), S. 176 - 181 | |
[3] | Stadt Luckenwalde (Hrsg.): M E R K Z E I C H E N zur Luckenwalder Stadtgeschichte, Luckenwalde, 2008 | |
[4] | luckenwalde.de: Ehrenbürger Hans Freudenthal | |
[5] | luckenwalde.de: Verlegte Stolpersteine |
Bildnachweis
Gedenktafel | Wolfgang Volk, Berlin, aufgenommen im April 2006 | |
alle anderen Aufnahmen | Wolfgang Volk, Berlin, aufgenommen im Dezember 2018 |
1) In [1] findet man auch Erinnerungen
von und Bildmaterial zur Familie und insbesondere zu Hans Freudenthal.