Mathematischer Ort des Monats Juli 2015
SFB Discretization in Geometry and Dynamics in Berlin-Charlottenburg
von
Andreas Loos
Weit über den Dächern Berlins, fast ganz oben im
Mathematikgebäudes der TU,
residiert der Sonderforschungsbereich/Transregio 109
Discretization in Geometry and Dynamics (DGD).
Alexander Bobenko blickt von seinem Büro im achten Stock über Berlins Norden.
Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereiches - eines der umfangsreichsten und ambitioniertesten
Transregios der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Seit 2012 erforschen hier 21 leitende
Mathematikerinnen und Mathematiker und weitere rund 45 Forscherinnen und Forscher zusammen mit rund
10 assoziierten Wissenschaftlern die Mathematik der Diskretisierung; jedes Jahr werden außerdem zwei
hochkarätige Gäste eingeladen, mitzuarbeiten.
Das Wort "Diskretisierung" leitet sich vom Lateinischen ab: "discernere" bedeutet "unterscheiden",
denn die Wissenschaftler interessieren sich zum Beispiel für Methoden, glatte Flächen in einzeln unterscheidbare,
also diskrete Flächenstücke zu zerlegen, und zwar möglichst so, dass geometrische Eigenschaften der Flächen geschickt ausgenutzt werden.
Wer den achten Stock der TU entlang geht, findet an der Bürotüre von Alexander Bobenko einen Zettel,
auf dem ein A und ein B abgebildet sind, unterteilt in viele kleine diskrete Dreiecke.
Die triangulierten Buchstaben stehen nicht nur für Bobenkos Initialen, sondern bilden Kernstücke eines
aktuellen wissenschaftlichen Aufsatzes von Bobenko mit dem Titel "ABC". Aus Sicht des Topologen stehen
die drei Anfangsbuchstaben des Alphabets nämlich für Flächen von Geschlecht 1, 2 und 0 -
also Flächen mit einem, zwei und keinem Loch. Wie man solche Flächen im Allgemeinen diskretisiert,
daran arbeiten Bobenko und viele der Forscher am Sonderforschungsbereich.
Konkrete Anwendung findet das dann zum Beispiel in der Architektur oder in der diskreten Geometrie -
und auf der anderen Seite zum Beispiel in der Untersuchung von Potenzialen in der Quantenmechanik.
Für Experimente musste sogar die große rundliche Buddy-Bear-Statue herhalten, die unten am Eingang des Gebäudes wacht.
Von ihr gibt es eine diskretisierte Version, die auf www.discretization.de, der Webseite des SFB (siehe links), zu bestaunen ist:
Auf der Oberfläche des Bären verteilen sich hier 200 Knoten so, dass man den Bären konform, also winkeltreu,
auf einen flachen Torus abbilden kann.
Doch den Wissenschaftlern geht es um viel mehr: Die Diskretisierung, ein relativ junges Gebiet der Mathematik,
bildet das Dach des Sonderforschungsbereiches, unter dem sich zwei sehr unterschiedliche mathematische Teilgebiete,
die Geometrie und die Untersuchung von Dynamischen Systemen, zusammengefunden haben.
Beide können auf ihre Weise von den Methoden der Diskretisierung profitieren, die im DGD gefunden werden.
Es ist ein fruchtbares Konzept: Rund 120 mathematische Arbeiten sind seit Gründung des Sonderforschungsbereiches 2012
bereits im Rahmen der Förderung entstanden.
Der DGD ist einer von aktuell 65 Sonderforschungsbereichen/Transregio der DFG; die Gemeinschaft fördert ihn in der ersten
Förderperiode 2012 -2016 mit sechs Millionen Euro. Und er erstreckt sich weit über die Grenzen Deutschlands hinweg:
Sprecheruniversität ist die TU Berlin, Partneruniversität ist die TU München,
beteiligt sind aber auch Wissenschaftler der FU Berlin, der TU Wien und der TU Graz.
Sie kooperieren alles andere als diskret - aber höchst dynamisch.
Bildnachweis
Blick nach Norden | Dirk Knoblauch, DGD | |
Diskretisierter Matheon Bär | DGD, Ausschnitt dieser Darstellung |