Mathematischer Ort des Monats Oktober 2016
Gebäude des Weierstraß-Instituts in Berlin-Mitte
von
Wolfgang König
(mit freundlicher Unterstützung durch Thomas Cierzynski)
(mit freundlicher Unterstützung durch Thomas Cierzynski)
Das Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik, Leibniz-Institut im Forschungsverbund Berlin e.V. (WIAS)
ist eines von nur wenigen mathematischen außeruniversitären Einrichtungen Deutschlands und
eines der beiden großen mathematischen Forschungsinstitute Berlins (neben dem Zuse-Institut).
An ihm forschen etwa 120 Mathematiker, von denen etwa die Hälfte aus Mitteln des Haushalts des WIAS bezahlt werden.
Das WIAS ist einer der fünf Betreiber des Forschungszentrums
Matheon bzw. des Einstein Zentrums Mathematik.
Es ist auf vielfältige Weise eingebettet in die Forschungslandschaften Berlins, Deutschlands und der Welt und
unterhält mannigfaltige Kontakte. Die Gebiete, auf denen am WIAS geforscht wird, umfassen weite Teile der Analysis,
Stochastik und Numerik, aber auch theoretische Physik und Optoelektronik.
Der Anspruch des WIAS ist, eine gegebene Forschungsfrage in der gesamten Entwicklung im selben Haus bearbeiten zu können:
angefangen von der Modellierung des Problems über seine mathematische Analyse bis zur Entwicklung der notwendigen Numerik und
der Ausführung der Simulation der Lösung.
Die Heimstatt des WIAS ist im Herzen Berlins gelegen, am Hausvogteiplatz, nur einen Steinwurf vom Gendarmenmarkt entfernt,
wohl Berlins schönstem Platz.
Da das Gebäude in der Mohrenstraße 39 schon vor einiger Zeit zu klein geworden ist, unterhält das WIAS auch
Räume in unmittelbarer Nähe am Hausvogteiplatz und betreibt das
IMU-Sekretariat in seinen Räumen in der Markgrafenstraße.
Den Beginn der Gründungsgeschichte des WIAS muss man wohl im Jahre 1946 ansetzen.
Zu dieser Zeit begann sich das wissenschaftliche Leben Berlins wieder zu reorganisieren;
insbesondere hatten schon die Berliner Universität und die
Deutsche Akademie der Wissenschaften
ihre Aktivitäten aufgenommen. Aber ein Forschungsinstitut der Mathematik hatte es bis dato in
Berlin noch nicht gegeben, auch wenn viele Berliner Mathematiker schon länger ein solches als
sehr wünschenswert empfunden hatten. Die Gelegenheit, die Gründung eines solchen durchzusetzen,
schien in dieser Zeit des Wiederaufbruchs sehr günstig. Sie wurde beim Schopf gepackt durch einen
einfachen, klaren, bündigen Antrag von
Hermann Ludwig Schmid an den
Präsidenten der Akademie am 30. August 1946.
Dieser Brief scheint offene Türen eingerannt zu haben, denn mit Wirkung vom 1. Oktober desselben Jahres (!)
gab es ein mathematisches Forschungsinstitut in Berlin, dessen erster Direktor
Erhard Schmidt wurde.
In heutigen Zeiten ist es kaum glaubhaft und zeugt von der starken Andersartigkeit jener Zeiten,
dass ein ganzes Institut mit mehreren Professuren und weiteren wissenschaftlichen Stellen gegründet wird
alleine auf einen dreiseitigen Brief ohne Anlagen hin.
Dieses Forschungsinstitut begann zu blühen und zu gedeihen mit namhaften Mitgliedern und
weithin wahrgenommenen wissenschaftlichen Aktivitäten. Es unterlag im Folgenden einer Reihe von
Umgestaltungsmaßnahmen, die im Einzelnen in [1] und [2] kurz zusammengefasst sind.
Seit dem Jahre 1985 trug es stolz den Namen des großen Berliner Mathematikers und „Vaters der strengen Analysis“
Karl Weierstraß (1815-1897) in seinem Namen als
„Karl-Weierstraß-Institut für Mathematik“. Es war während der DDR-Zeit Teil der
Akademie
der Wissenschaften der DDR und hatte etwa 200 Mitarbeiter(innen),
die in weiten Teilen der Mathematik forschten.
Zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 sah der Grundlagenvertrag vor,
dass das Institut zunächst bis Ende 1991 evaluiert und in eine noch zu findende andere Form überführt werden sollte.
Dazu wurde es fachlich evaluiert, übrigens durch eine ganz überwiegend westliche Gutachtergruppe.
Daraus ergab sich die Empfehlung, das Institut als ein Angewandtes Institut wieder zu eröffnen,
das deutlich kleiner war und nur etwa 60 wissenschaftliche Stellen haben sollte,
mit starker Ermunterung zur Einwerbung weiterer Stellen aus Drittmitteln.
Per 1. Januar 1992 wurde das „Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik“ gegründet mit dem Auftrage,
Forschung von gesamtstaatlichem Interesse im Bereich der Angewandten Mathematik zu betreiben.
Die Finanzierung des Haushalts erfolgt seitdem aus Mitteln Berlins mit Beteiligung der anderen Bundesländer.
Seitdem spielt das WIAS in der mathematischen Landschaft des wiedervereinigten Berlin eine starke Rolle und
gehört zu den gestaltenden Kräften der mathematischen Forschung. Die meisten seiner Leiter sind als Professoren an
den drei Berliner Universitäten in deren Lehre und Forschung eingebunden; es bildet Doktorand(inn)en aus,
beteiligt sich an Großvorhaben mit den Universitäten und lädt alle Mathematiker regelmäßig zu seinen Tagungen und Workshops ein.
Referenzen
[1] | Geschichte des WIAS, 1. Vorgängerinstitutionen | |
[2] | Geschichte des WIAS, 2. Das Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (1992 bis heute) | |
[3] | Helmut Koch: The Mathematics Institute of the Academy of the Sciences of the GDR, in: H. Begehr, H. Koch, J. Kramer, N. Schappacher, E.-J.Thiele (Hrsg.), Mathematics in Berlin, Berliner Mathematische Gesellschaft, Birkhäuser, Basel etc., 1998, ISBN 978-3-0348-8787-8 |
Bildnachweis
Gesamtansicht | Mit freundlicher Genehmigung der Institutsleitung des WIAS | |
Brief | Mit freundlicher Genehmigung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Inv.-Nr. 0.210 |