Mathematiker des Monats Oktober 2018
Paul Rudolf Eugen Jahnke (1863-1921)
von Eberhard Knobloch
 
Paul Rudolf Eugen Jahnke
Paul Rudolf Eugen Jahnke
 
Paul Rudolf Eugen Jahnke wurde am 30. November 1863 als drittes Kind seiner Eltern in Berlin geboren – als Sohn des Polizeibeamten Ernst Jahnke und dessen Frau Albertine, geb. Boche. Da sein Vater starb, als er zehn Jahre alt war, wuchs er in finanziell beengten Verhältnissen auf. Aber seine Mutter ermöglichte ihm dennoch den Besuch des Königstädtischen Realgymnasiums, wo er 1881 das Abitur ablegte.
Sein Mathematiklehrer Hermann Martus hatte ihn so beeindruckt, dass er beschloss, an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren. Seine Hochschullehrer waren vor allem Karl Weierstraß, Ernst Eduard Kummer, Leopold Kronecker, Immanuel Lazarus Fuchs, Albert Wangerin, Georg Hettner, Gustav Robert Kirchhoff und Hermann von Helmholtz. Den größten Einfluss übten auf ihn Weierstraß und Fuchs aus. Fuchs war es, der ihm das Thema der Staatsexamensarbeit – Thetafunktionen – stellte. Sein Berufswunsch war, Oberlehrer zu werden. Aber Jahnke musste ab 1886 sechs Jahre lang als Hilfslehrer und als Lehrer an Privat- und Fortbildungsschulen seinen Lebensunterhalt verdienen, bevor er 1892 endlich Oberlehrer an der 8. Realschule wurde.
1889 hatte er inzwischen mit einem von Fuchs angeregten Thema, über die Integration von Differentialgleichungen erster Ordnung, bei seinem ehemaligen Berliner Universitätslehrer Albert Wangerin, der 1882 nach Halle berufen worden war, an der Universität Halle promoviert. 1900 ging er an die Friedrichs-Werdersche Oberrealschule, wie es schon vor ihm Jakob Steiner, Hermann Grassmann und Lazarus Fuchs getan hatten.
Gleichzeitig war er wissenschaftlich tätig. Die seit 1890 erschienenen Arbeiten standen unter dem Einfluss des mit ihm befreundeten Ferdinand Caspary. Sie galten Thetafunktionen und den Methoden der Grassmann’schen Ausdehnungslehre. Dank Casparys Empfehlungen konnte er 1898 eine vierwöchige Reise nach Paris unternehmen, wo er zahlreiche französische Mathematiker kennenlernte, insbesondere Charles Hermite.
1901 habilitierte er sich an der Technischen Hochschule Berlin und hielt dort Vorlesungen über die Vektorrechnung. Es war das erste Mal, dass an einer Berliner Hochschule ein Kolleg über Vektormethoden durchgeführt wurde. Ebenfalls 1901 gründete er zusammen mit Adolf Kneser die Berliner Mathematische Gesellschaft (siehe [3, S. 162f]). Zugleich übernahm er die Herausgabe des Archivs für Mathematik und Physik, später – von 1912 bis 1921 – auch diejenige von Dinglers polytechnischem Journal, in dem er auch publizierte (z.B. [4]). Die von ihm und Fritz Emde herausgegebenen Funktionentafeln fanden in Ingenieurkreisen weite Verbreitung.
Als Kneser 1905 von der Bergakademie an die Universität Breslau wechselte, wurde Jahnke an der Bergakademie sein Nachfolger für Mathematik und Mechanik. 1910 wählte ihn die Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher, die heutige Nationalakademie Deutschlands, zum Mitglied. Jahnke warb nachdrücklich für Mathematik als Grundlage der Technik. 1916, mitten im 1. Weltkrieg, wurde die Bergakademie als Abteilung für Bergbau in die Technische Hochschule Berlin integriert. Angesichts seines Interesses für Fragen der Technik blieb er in dieser Abteilung und wechselte nicht in die Abteilung für Allgemeine Wissenschaften, wo die vier Mathematikprofessoren der Technischen Hochschule tätig waren, nämlich Emil Lampe, an dessen Übungen er als Assistent schon vor seiner Habilitation teilgenommen hatte, Rudolf Rothe, Georg Scheffers und Stanislaus Jolles, der einen Nachruf auf seinen Kollegen verfasste [5].
Sein letztes Arbeitsgebiet war die Fördertechnik. So konstruierte er einen Schachtprüfapparat, der Schacht und Fördermaschine während der Betriebsfahrt prüfte und Seilbrüchen rechtzeitig vorbeugen konnte. Sein hohes Ansehen an der Hochschule führte zu seiner Wahl zum Rektor für das Jahr 1919/20. Er war damit nach Guido Hauck, Emil Lampe, Georg Hettner und Georg Scheffers der fünfte Mathematiker, der dieses Amt an der Technischen Hochschule bekleidete.
Die erst 1895 geschaffene Mathematikprofessur, die vorher Fritz Kötter und Adolf Kneser innehatten, erlosch mit seinem Tode im Jahre 1921. Einer seiner ältesten Schüler, Alfred Baruch, der sich später Barneck nannte, verfasste für ihn zwei einfühlsame Nachrufe ([1], [2]).
 

Referenzen

[1]   Alfred Baruch: Eugen Jahnke zum Gedächtnis, Berliner Hochschul-Nachrichten 6. Semester Heft 3 (1921), S. 36 - 37
[2]   Alfred Baruch: Nachruf auf Eugen Jahnke, Sitzungsberichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft 21. Jahrgang (1922), S. 30 - 39
[3]   Iris Grötschel: Das mathematische Berlin – Historische Spuren und aktuelle Szene, Berlin Story Verlag, Berlin, 2008, ISBN 978-3-929829-92-1
[4]   Eugen Jahnke, Georg Keinath: Zur Messung von Beschleunigung auf Förderanlagen, Dinglers Polytechnisches Journal 335 (1920), S. 119 - 125
[5]   Stanislaus Jolles: Eugen Jahnke, Ein Nachruf, Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 31 (1922), S. 177 - 184
[6]   Eberhard Knobloch: Jahnke, Eugen, Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 307
[7]   Eberhard Knobloch: Mathematik an der Technischen Hochschule und der Technischen Universität Berlin 1770 – 1988, Verlag für Wissenschafts- und Regionalgeschichte, Berlin, 1998, S. 10f., 47
 

Bildnachweis

Porträt   Ausschnitt eines Fotos aus [2]; es wird gebeten, die schlechte Qualität des Originals zu entschuldigen.