Mathematiker des Monats Juni 2018
Rudolf Ernst Rothe (1873-1942)
Als 1899 der Technischen Hochschule Berlin das Promotionsrecht verliehen wurde,
galt dies nur für die technischen Fächer, nicht für die „allgemeinen“
Fächer Mathematik, Physik und Chemie. Dies änderte sich erst 1924 mit der Berechtigung
für Technische Hochschulen, Ober- und Gymnasiallehrer auszubilden.
Zwar waren alle Mathematikprofessoren der Technischen Hochschule Berlin promoviert.
Sie hatten aber ihren Doktortitel angesichts dieser Situation zuvor an einer Universität
erworben. Dies traf auch auf Rudolf Rothe zu, der am 15. Oktober 1873 in Berlin als ältestes
von vier Geschwistern einer aus Schlesien stammenden Familie geboren wurde.
Der frühe Tod des Vaters ließ ihn in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen
aufwachsen.
Ab 1892 studierte er an der Berliner Universität Mathematik und promovierte dort am
4. Mai 1897 bei
Hermann Amandus Schwarz und
Georg Frobenius mit einer Untersuchung über die
Theorie der isothermen Flächen. Aus dieser Zeit datiert seine Freundschaft mit dem
Weierstraß-Schüler und Flächentheoretiker
Johannes Knoblauch, der unter anderem mit ihm die Werke von
Karl Weierstraß herausgab.
Nach der Promotion wurde er Mitarbeiter an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin
und assistierte
Emil Lampes Übungen an der
Technischen
Hochschule Berlin.
Dort habilitierte er sich 1905. 1908 wurde er als ordentlicher Professor für Mathematik und
Mechanik an die Bergakademie Clausthal berufen, fünf Jahre später für angewandte
Mathematik an die Technische Hochschule Hannover. Bereits im folgenden Jahr, 1914, kehrte er als
ordentlicher Professor für Mathematik an die Technische Hochschule Berlin als Nachfolger des
verstorbenen
Georg Hettner endgültig zurück,
wo er zunächst bis zu seiner Emeritierung 1939 wirkte.
Er war Gründungsmitglied der Berliner Mathematischen Gesellschaft
(BMG) und von 1916 bis 1918 und erneut von 1939 bis 1941 deren Vorsitzender.
1921/22 wurde er zum Rektor seiner Hochschule gewählt, also im schwierigen Inflationsjahr.
In seiner Rektoratsrede vom 1. Juli 1921 widmete er sich den „Aufgaben der Technischen
Hochschule auf dem Gebiete der Geisteskultur“. Er setzte sich mit persönlichem Nachdruck
für die Anerkennung der Technik als Kulturleistung ein und äußerte den Wunsch,
dass sich die
Akademie der Wissenschaften diesem Gebiet öffne. Ingenieure wie
Werner von Siemens gab es unter ihren
Mitgliedern nur ausnahmsweise.
Auch die Technik sei zur Ehre des menschlichen Geistes geschaffen worden.
Er begrüßte die Entwicklung, die 1921 in absehbarer Weise – 1924,
wie zu Beginn erwähnt – dazu führen sollte, dass die Technische Hochschulen
den Auftrag erhielten, Oberlehrer in Mathematik, Physik und Chemie auszubilden.
1926 wurde er zum Mitglied der
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopodina
gewählt, 1930 zum Vorsitzenden der
Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV).
Rothe betrieb neben seinen differentialgeometrischen Arbeiten physikalische Untersuchungen,
insbesondere im Ersten Weltkrieg zur Ballistik, die aus Gründen der Geheimhaltungspflicht
gar nicht oder erst sehr viel später veröffentlicht werden durften.
In dieser Zeit unterrichtete er zeitweise auch an der
Berliner Universität.
Darüber hinaus studierte er Fragen der reellen Funktionen, der praktischen Analysis und
der Schulmathematik. Sein dreibändiges Lehrbuch zur „Höheren Mathematik“
(1925 bis 1935) erschien in zahlreichen Auflagen und prägte viele Generationen von
Ingenieurstudenten. Es folgten Lehrbücher, teilweise zusammen mit Kollegen verfasst,
zur Funktionentheorie und zur Differentialgeometrie.
Sein besonderes Interesse galt der angewandten Mathematik, die er in Vorträgen und
Vorlesungen weiten Kreisen der Industrie nahebrachte. Vor allem engagierte er sich für
die Elektrotechnik und war 1924/25 Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin des
Elektrotechnischen Vereins.
Im Zweiten Weltkrieg wurde er nach seiner Emeritierung 1940 Mitglied der seit 1935 an der
Technischen Hochschule Berlin bestehenden Wehrtechnischen Fakultät, wo er über
theoretische Ballistik vortrug. Er hatte den Krieg nicht gewollt, glaubte aber, in der Stunde
der Not sein Vaterland nicht im Stich lassen zu dürfen.
Er starb am 26. Oktober 1942 an der Folgen eines Schlaganfalls.
Weiterführende Literatur
[1] | W. Dreetz: Rudolf Rothe †, Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht 74 (1943), S. 29 - 31 | |
[2] | Christian Grüß: Rudolf Rothe zum Gedächtnis, Zeitschrift für angewandte Mathematik und Mechanik 22 (1942), S. 302 - 313 | |
[3] | Eberhard Knobloch: Mathematik an der Technischen Hochschule und der Technischen Universität Berlin 1770-1988, Verlag für Wissenschafts- und Regionalgeschichte, Berlin, 1988, ISBN 978-3929134209, S. 25f | |
[4] | Werner Schmeidler: Rudolf Rothe †, Elektrotechnische Zeitschrift 63 (1942), Heft 45/46, S. 550 | |
[5] | Wikipedia: Rudolf Rothe |
Bildnachweis
Porträt | Das Porträt (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rudolf_Ernst_Rothe.jpg) wurde neu zugeschnitten und punktuell retuschiert. Es ist die Lizenz Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported anwendbar |