Mathematischer Ort des Monats Januar 2026
Grafitto zu Nikolaus Kopernikus in Blankenfelde
von Wolfgang Volk
 
Nikolaus Kopernikus
Grafitto zu Nikolaus Kopernikus
 
Die nachstehend beschriebene Transformatorenstation befindet sich in unmittelbarer Nähe der Straßenkreuzung Wilhelm-Raabe-Straße/Karl-Liebknecht-Straße im Ortsteil Blankenfelde der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow südlich von Berlin.1) Seit mehreren Jahren werden Schaltkästen und andere Einrichtungen der Energieversorgungsunternehmen – zumindest in diesem Bereich der Republik – mit ansprechenden Motiven ausgestaltet, die somit über deren Notwendigkeit ihrer Existenz hinwegtröstet. Die Wahl des Motivs mag dem Umstand geschuldet sein, dass unweit dieser Straßenkreuzung das Kopernikus-Gymnasium beheimatet ist, dessen Logo am Portal in der August-Bebel-Straße zu sehen ist (siehe das letzte Bild weiter unten). Während die Persönlichkeit Nikolaus Kopernikus2) (1473-1543) im Grafitto, das die Transformatorenstation schmückt, lediglich schemenhaft wiedergegeben ist, sind die Planeten und das Zentralgestirn unseres Sonnensystems sehr realistisch – soweit man es derzeit weiß – dargestellt. Auffällig dabei ist, dass der (seinerzeitige!) Planet Pluto ebenfalls zu erkennen ist. Diesem erst 1930 entdeckten Himmelskörper wurde im Jahr 2006 von der Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union im Zusammenhang mit einer Neudefinition des Begriffs „Planet“ der Status eines Planeten aberkannt (siehe auch diesbezügliche Anmerkungen in [4]).
Nikolaus Kopernikus
Die anderen drei Seiten zeigen die anderen Planeten sowie das Zentralgestirn unseres Sonnensystems
 
Nikolaus Kopernikus' Funktion in Frauenburg (polnisch: Frombork), im heutigen Polen, war Kapitelherr (Kapitular, auch Domherr). Seine Bekanntheit resultiert allerdings aus dem Umstand dass er das heliozentrische Weltbild schuf, bei dem die Sonne im Mittelpunkt der „Welt“ steht – im Gegensatz zum geozentrischen Weltbild, bei dem die Erde im Mittelpunkt steht und sowohl die Sonne wie auch die Planeten um die Erde kreisen. Letzteres wurde seinerzeit insbesondere von der Kirche postuliert und andere Möglichkeiten strikt abgelehnt und als Ketzerei bewertet! Seitens der (katholischen) Kirche galt dieses Ptolemäische Weltbild als unumstößlich. Daraus resultierte auch Kopernikus' Zurückhaltung, seine Überlegungen und Ergebnisse zu publizieren. In den Jahren 1539 bis 1541 weilte der Wittenberger Mathematikprofessor Georg Joachim von Lauchen (1514-1574) bei Kopernikus in Frauenburg, wohl um jenen zur Drucklegung seines Werks zu überzeugen (vergleiche auch die Ausführungen in [1] und [3]). Letztlich wurde sein Werk De revolutionibus orbium coelestium 1543 bei Johannes Petreius in Nürnberg mit einem anonym hinzugefügten Vorwort gedruckt. Bis sich aber die Kopernikanische Wende wirklich durchsetzte, war es noch ein weiter Weg.
Nikolaus Kopernikus und zwei Seiten seines Werks
Briefmarke anlässlich des 500. Geburtstags von Nikolaus Kopernikus3)
 
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Aristarchos von Samos (um 310-um 230 v. Chr.) bereits auf die Idee kam, dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt sein könne. Das lineare Größenverhältnis von Erde und Mond kann grob anhand des Erdschattens auf der Mondoberfläche in der partiellen Phase einer totalen Mondfinsrenis abgeschätzt werden. Ferner erscheinen Sonne und Mond bei einer Sonnenfinsternis annähernd gleich groß (jeweils unter einem Winkel von ziemlich genau 0,5°). Aus diesen und wahrscheinlich weiteren Beobachtungen folgerte er, dass die Sonne etwa 40mal weiter von der Erde entfernt sein müse als der Mond. Damit hat er sich zwar um den Faktor 10 vertan, aber schon erkannt, dass die Sonne signifikant größer als die Erde sein muss und die Frage gestellt, ob es sein kann, dass ein größerer Körper sich um einen kleineren bewegtt oder es eher umgekehrt sein muss. Allerdings ist erst seit Isaac Newton (1642-1726) bekannt, dass nicht die Größe (im Sinne von Ausdehnung) eines Körpers für dessen Auswirkung entscheidend ist, sondern dessen Masse ‒ aber irgendwie stehen diese beiden Größen (im Sinne von Messwerten) schon miteinander in Beziehung (sind also korreliert).
In der Folge der Herausgabe von Kopernikus' Werk gab es Befürworter wie uch Gegner. Selbstverständlich wurde dieses Buch vom Vatikan auf den Index gesetzt! Galileo Galilei (1564-1642) wurde ob seiner Abwägungen in seinem Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme durch die Inquisition Hausarrest aufgebürdet.
Tycho Brahe (1546-1601) stand hingegen dem kopernikanischem Weltsystem kritisch gegenüber, hatte aber durch seine präzisen Beobachtungen der Positionen der sich vor dem Sternenhimmel bewegenden Planeten, die ja auch die Grundlage für die „Gesetze der Planetenbewegung“ von Johanne Kepler (1571-1630) bildeten (vergleiche [4]), genaue Kenntnis über deren Verhalten. Dies bewog ihn, ein konkurrierendes Weltsystem zu entwerfen – das Tychonische Weltmodell, bei dem sich alle bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn um die Sonne bewegen, und dieses System wiederum um die still stehende Erde.
Auch Nikolaus Reimers (1551-1600) hatte etwa zeitgleich die gleiche Idee, jedoch ließ er – im Gegensatz zu Tycho Brahe – die Drehung der zentralen Erde zu.
Erst rund drei Jahrhunderte später beobachtete Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) eine Parallaxe beim Stern 61 Cygni (vergleiche [2]), was letztlich auch bewies, dass sich die Erde um die Sonne bewegt und nicht umgekehrt und damit die Korrektheit der Überlegungen des Nikolaus Kopernikus.
Kopernikus-Gymnsium
Emblem des Kopernikus-Gymnsiums
 

Referenzen

[1]   Wolfgang Volk: Tafeln für Giordano Bruno, Joachim von Lauchen, Kaspar Peuker und Johann Daniel Titius in der Lutherstadt Wittenberg, Mathematischer Ort des Monats Oktober 2020
[2]   Wolfgang Volk: Der Besselpark in Berlin-Kreuzberg, Mathematischer Ort des Monats Februar 2024
[3]   Wolfgang Volk: Ausstellung „Georg Joachim Rheticus (1514‒1574) und die astronomische Forschung in Wittenberg“, Mathematischer Ort des Monats Februar 2025
[4]   Wolfgang Volk: Grafitti zu Johannes Kepler und Gottfried Wilhelm Leibniz im Potsdamer Ortsteil Am Stern, Mathematischer Ort des Monats Oktober 2025
 

Bildnachweis

alle Fotos   Wolfgang Volk, Berlin, Juni 2022
 

1) Der Ortsteil Blankenfelde ist mit der S- und der Regionalbahn von Berlin aus gut zu erreichen.
2) Sein eigentlicher Name lautet Niklas Koppernigk die latinisierte Form Nicolaus Copernicus. In deutschen Landen ist eine Zwischenform geläufig – die latinisierte Form, wobei jedes auftretende „c“ durch den Buchstaben „k“ ersetzt ist.
3) Diese Briefmarke wurde in der Deutschen Demokratischen Republik anlässlich des 500. Geburtstags des Astronomen Nikolaus Kopernikus herausgegeben. Links vom Porträt ist die Seite, die dem Titelbild des Buchs DE REVOLUTIONIBUS ORBIUM COELESTIUM folgt, rechts davon aus diesem Werk die Seite mit dem heliozentrischen Weltbild wiedergegeben.