Mathematiker des Monats April 2015
Jakob Steiner (1796-1863)
von Karin Reich
Jakob Steiners Elternhaus war ein kleiner bäuerlicher Betrieb in Utzenstorf bei Bern. Steiner wurde als jüngstes
von 8 Kindern am 18. März 1796 geboren; seine Schulbildung ließ viel zu wünschen übrig. Ab 1814 besuchte er
die Schule in Yverdon; dort befand sich seit 1804 das berühmt gewordene Institut von Johann Heinrich Pestalozzi,
das wegen seiner neuen pädagogischen Ansätze bereits großen Ruhm genoss. Später wirkte Steiner dort auch als Hilfslehrer.
Pestalozzi war es, der Jakob Steiners geometrische Anschauungen und Anschauungskraft maßgeblich geprägt hatte.
Von 1818-1820 studierte Steiner an der Universität Heidelberg. 1821 kam er nach Berlin, wo er am 9.6.1821 die
erste Staatsprüfung ablegte. Zunächst fand er als Hilfs- und Privatlehrer in verschiedenen Schulen eine Anstellung;
ab 1825 wirkte er an der
Gewerbeschule, die 1882 in Friedrichs-Werdersche Oberrealschule umbenannt wurde.
Am 11.3.1826 bestand Steiner das zweite Staatsexamen und wurde 1829 an der Gewerbeschule Oberlehrer.
Einer seiner Schüler war Theodor Fontane, der auch Erinnerungen an seinen ehemaligen Lehrer veröffentlichte.
Steiner begann erst im Alter von 30 Jahren wissenschaftlich zu arbeiten. Von besonderer Bedeutung war seine 1832
in Berlin veröffentlichte Arbeit
„Systematische
Entwicklung der Abhängigkeit geometrischer Gestalten voneinander,
mit Berücksichtigung der Arbeiten alter und neuer Geometer über Porismen, Projections-Methoden, Geometrie der Lage,
Transversalen, Dualität und Reciprocität.“, die er Wilhelm von Humboldt gewidmet hatte. Steiner hatte früher
Humboldts ältestem Sohn Privatunterricht erteilt. Diese Arbeit entpuppte sich als ein bahnbrechendes Werk,
mit dem Steiner sofort die nötige Anerkennung zuteil wurde. So gelang es Steiner, auch Alexander von Humboldt
kennenzulernen, der ihn von da an nach Kräften unterstützte. Noch in demselben Jahr, am 29.12.1832, erhielt er den
Titel eines Ehrendoktors der Universität Königsberg und 1833 wurde ihm der Titel eines Professors verliehen.
Am 5. Juni 1834 wurde er auf Grund eines Vorschlags von
August Leopold Crelle und
Peter Gustav Lejeune Dirichlet Mitglied der
Berliner Akademie und am
8. Oktober 1834 wurde er Extraordinarius an der Universität Berlin;
diese Stelle war für ihn neu geschaffen worden, was er Alexander von Humboldt und dem Mathematiker
Carl Gustav Jacob Jacobi zu verdanken hatte.
Steiner war ein urwüchsiges Original, begabt mit einer beispiellosen Anschauungskraft; er gilt als der Neubegründer
der synthetischen Geometrie. Die wichtigsten Grundbegriffe waren das Prinzip der Dualität, die
projektivischen Gebilde und das damit in Zusammenhang stehende Doppelverhältnis. Steiner baute auf keine Vorgänger
auf und war von der zeitgenössischen Mathematik ziemlich unbeeinflusst.
Seine Vorlesungen fanden wegen ihrer Originalität großen Anklang, mehrere wurden später, d.h. posthum, publiziert.
Große Berühmtheit erlangten vor allem seine „Vorlesungen über synthetische Geometrie“, zwei Bände, die
Carl Friedrich Geiser und
Heinrich Schröter in Leipzig im Jahre 1867 veröffentlichten; diese „Vorlesungen“
erlebten drei Auflagen. Daneben veröffentlichte Steiner zahlreiche kleinere Arbeiten, so im
Journal für reine und angewandte Mathematik, in den
„Annales des mathématiques“ und im „Giornale Arcadico“.
Im Jahre 1843/44 konnte Steiner zusammen mit Dirichlet, Jacobi,
Ludwig Schläfli und
Karl Wilhelm Borchardt eine Romreise unternehmen.
1853 nahm er einen Studienaufenthalt in Paris wahr. In fortgeschrittenem Lebensalter plagten ihn gesundheitliche Probleme,
sodass er nur noch während der Winteresemester Vorlesungen in Berlin hielt und die Sommersemester in der Schweiz verbrachte.
Jakob Steiner starb am 1. April 1863 in Bern. Er hinterließ ein stattliches Vermögen, wovon er einen Teil der
Berliner Akademie vermachte. Diese benutzte gemäß Steiners Wunsch das Geld zur Einrichtung eines nach Steiner
benannten Preises, der für besondere Verdienste in der Geometrie verliehen wurde. Die ersten Preisträger waren im Jahre 1866
Rudolf Sturm und
Luigi Cremona. Der letzte Preis wurde im Jahre 1922 an den italienischen Geometer
Giuseppe Togliatti vergeben; danach war das Geld aufgebraucht.
Referenzen
[1] | Heinrich Begehr und Hanfried Lenz: Jacob Steiner and Synthetic Geometry, in: Mathematics in Berlin. Hrsg. H. Begehr, H. Koch, J. Kramer, N. Schappacher, J. Thiele. Birkhäser, Berlin usw., 1998, S. 49 - 54 | |
[2] | Carl Friedrich Geiser: Zur Erinnerung an Jakob Steiner, C. Schmidt, Schaffhausen 1874, 37 S. | |
[3] | Johann Heinrich Graf (Hrsg.): Der Briefwechsel Steiner-Schläfli, Bern 1896 | |
[4] | Johann Heinrich Graf: Der Mathematiker Jakob Steiner von Utzenstorf. Ein Lebensbild und zugleich eine Würdigung seiner Leistungen, K. J. Wyss, Bern, 1897 | |
[5] | Julius Lange: Jacob Steiners Lebensjahre in Berlin 1821-1863. Nach seinen Personalakten dargestellt, Sonderdruck der Festschrift zur Erinnerung an das 75jährige Bestehen der Friedrichs-Werderschen Oberrealschule (ehemals Gewerbeschule). Berlin 1899 |
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