Mathematischer Ort des Monats Februar 2023
Tafel für Albert Einstein in Berlin-Mitte
von
Wolfgang Volk
Unweit des
Reiterstandbilds Friedrichs des Großen
befand sich der ehemalige Gebäudelomplex, den die
Preußische
Akademie der Wissenschaften und die
Preußische
Akademie der Künste gemeinsam nutzten. (In [5] ist eine historische Zeichnung
der Straßenfront am Boulevard Unter den Linden Mitte des 18. Jahrhunderts wiedergegeben;
in Anbetracht der häufigen Umbenennungen der beiden genannten Akademien kann nicht sichergestellt
werden, dass hier dem Zeitgeist entsprechend die korrekten Bezeichnungen genannt sind.)
Heute teilen sich das Areal im Karree der Straßen (im Uhrzeigersinn) Unter den Linden,
Charlottenstraße, Dorotheenstraße und Universitätsstraße
die von der
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
verwaltete
Staatsbibliothek zu Berlin und die
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
zu recht ungleichen Teilen – die Gebäudestruktur hat sich im Laufe der Geschichte
mehrfach grundlegend geändert. Die Staatsbibliothek betreibt an der beschriebenen
Stelle einen Standort1), die Akademie der Wissenschaften eine
Dependance, ihren Hauptsitz hat sie am Gendarmenmarkt (siehe [5]).
Betritt man heutzutage das Areal von der Straße Unter den Linden aus, so schreitet
man durch mächtige Säulen in eine offene Vorhalle, die geradeaus in einen Innenhof
führt, von dem aus man den
Ausstellungsbereich der Staatsbibliothek, das
Stabi-Kulturwerk erreicht. In der Vorhalle befindet sich zur Linken der Personaleingang der
Staatsbibliothek und zur Rechten der Eingang der Dependance der
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (siehe die nachstehende Fotografie).
Auf diesem Foto ist links neben dem aufwändig verzierten Portal die oben wiedergegebene
Gedenktafel für den Physiker und Nobelpreisträger
Albert Einstein zu erkennen.
Wie man sieht – eine singuläre Würdigung. Genauso singulär wie das
Wissenschaftsjahr 2005, das bislang als Einziges
einer Person – nämlich jenem Albert Einstein – gewidmet war,
der 100 Jahre zuvor unter anderem einen Artikel mit dem Titel
„Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ publizierte, dessen Inhalt heute als
Spezielle
Relativitätstheorie bezeichnet wird.
Die Gedenktafel zeigt ein Porträt im Profil sowie den Text:
Hier wirkte
von 1914 bis 1932
Albert Einstein
als Mitglied der
Akademie
der Wissenschaften.
von 1914 bis 1932
Albert Einstein
als Mitglied der
Akademie
der Wissenschaften.
Die Anregung für diese Gedenktafel kam 1986 seitens des Physikers
Fritz Bernhard (1913-1993) im
Zusammenhang mit dem Stadtjubiläum 19872) [4].
Die Akademie der Wissenschaften der DDR, wie die Akademie seit 1972 offiziell hieß
(siehe [5]), erteilte noch im selben Jahr dem Berliner Bildhauer
Heinz Rodewald3) (1932-1993) den Auftrag,
den zeichnerischen Entwurf und das Gipsmodell für den Bronzeguss
einer Einstein-Gedenktafel auszuarbeiten. Im Herbst 1989 wurde der Bronzekunstguss in einem
Schwermaschinenbaubetrieb in Lauchhammer fertiggestellt. Es dauerte allerdings wegen der
Umwälzungen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands noch bis zum
25. November 1994, bis die Gedenktafel in einer Feierstunde enthüllt wurde.
Die Beziehung von Albert Einstein zur Preußischen Akademie der Wissenschaften
soll nachstehend grob nachgezeichnet werden. Überliefert ist ein von den Physikern
Max Planck,
Walther Nernst,
Heinrich Rubens und
Emil Warburg unterzeichneter
Antrag zwecks Aufnahme von Albert Einstein in die Akademie. Darin heißt es (siehe [2]):
„Die unterzeichneten
Mitglieder der Akademie beehren sich, die Erwählung des ordentlichen Professors der
theoretischen Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich,
Dr. Albert Einstein, zum ordentlichen Mitglied der Akademie, mit einem besonderen
persönlichen Gehalt von 12 000 M, zu beantragen. …
Durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Physik,
die zu allermeist in den Annalen der Physik publiziert sind, hat sich Einstein in den
Kreisen seiner Fachwissenschaft schon mit jugendlichen Jahren einen Weltruf erworben.
Am weitesten ist sein Name bekannt geworden durch das von ihm in seiner berühmten
Abhandlung über die Elektrodynamik bewegter Körper (1905) aufgestellte Prinzip
der Relativität, nach welchem der Widerspruch zwischen der sonst ausgezeichneten
bewährten Lorentzschen Theorie des ruhenden Lichtäthers und der experimentell
nachgewiesenen Unabhängigkeit der elektrodynamisch-optischen Vorgänge an
irdischen Körpern von der Bewegung der Erde seine radikale Erklärung findet
durch den Umstand, daß ein mit der Erde bewegter Beobachter sich einer anderen
Zeitmessung bedient als ein im heliozentrischen System ruhender Beobachter.
Die umwälzenden Folgerungen dieser neuen Auffassung des Zeitbegriffs,
die sich auf die gesamte Physik, vor allem auch auf die Mechanik, und darüber
hinaus bis tief in die Erkenntnistheorie erstrecken, haben später durch den
Mathematiker Minkowski eine Formulierung gefunden, welche dem ganzen System der Physik
ein neues einheitliches Gepräge gibt, indem darin die Zeitdimension als völlig
gleichberechtigt mit den drei Raumdimensionen auftritt.
… Zusammenfassend kann man sagen, daß es unter den großen Problemen,
an denen die moderne Physik so reich ist, kaum eines gibt, zu dem nicht Einstein in
bemerkenswerter Weise Stellung genommen hätte. Daß er in seinen Spekulationen
gelegentlich auch einmal über das Ziel hinausgeschossen haben mag,
wie z. B. in seiner Hypothese der Lichtquanten, wird man ihm nicht allzuschwer
anrechnen dürfen; denn ohne einmal ein Risiko zu wagen, läßt sich auch
in der exaktesten Naturwissenschaft keine wirkliche Neuerung einführen.
Gegenwärtig arbeitet er intensiv an einer neuen Gravitationstheorie;
mit welchem Erfolg, kann auch erst die Zukunft lehren.
Der eigenen reichen Produktivität gegenüber steht die besondere Begabung
Einsteins, fremden neu auftauchenden Ansichten und Behauptungen schnell auf den Grund
zu gehen und ihr Verhältnis zueinander zur Erfahrung mit überraschender
Sicherheit zu beurteilen.
…
Die Unterzeichneten sind sich wohl bewußt, daß ihr Antrag,
einen in noch so jugendlichem Alter stehenden Gelehrten als ordentliches Mitglied in die
Akademie aufzunehmen, ein ungewöhnlicher ist, sie meinen aber, daß er sich
nicht nur durch die ungewöhnlichen Verhältnisse hinreichend begründen
läßt, sondern daß es das Interesse der Akademie direkt fordert,
die sich darbietende Gelegenheit zur Erwerbung einer so außerordentlichen Kraft
nach Möglichkeit zu nutzen. …“
Am 24. Juli 1913 wird Albert Einstein zum Ordentlichen (hauptamtlichen) Mitglied gewählt;
1914 tritt er das Direktorat des Instituts für Physik der
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
zur Förderung der Wissenschaften (KWG) in Berlin-Dahlem an (siehe auch [6] und [7]).
Er erhält 1921 den Nobelpreis für Physik.
1932 reist A. Einstein zu einem Forschungsaufenthalt in die Vereinigten Staten von Amerika und
kehrt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr nach Deutschland zurück.
In einem Schreiben vom 28. März 1933 an die Akademie kündigt er seine Mitgliedschaft
(siehe [1][4]), darin heißt es unter anderem:
„Die in Deutschland
gegenwärtig herrschenden Zustände veranlassen mich, meine Stellung bei der
Preußischen Akademie der Wissenschaften hiermit niederzulegen … Die durch meine
Stellung bedingte Abhängigkeit von der Preußischen Regierung empfinde ich
… unter den gegenwärtigen Umständen als untragbar.“
Nach dem 2. Weltkrieg bemühte sich die Akademie, Albert Einstein zur Wiederaufnahme
seiner Mitgliedschaft zu bewegen [4]. Dieses Ansinnen lehnte dieser am 29. Juli 1946
telegrafisch aus Princeton ab:
„Nach all dem
Furchtbaren, was geschehen ist, sehe mich außerstande, das Anerbieten der
Deutschen Akademie anzunehmen.“
Referenzen
[1] | Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Albert Einstein, Lebensdaten, Angaben zur Mitgliedschaft und Kurzbiographie | |
[2] | Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Historische Zeitleiste → März ↓ Albert Einstein (14.3.1879 - 18.4.1955)4) | |
[3] | Jürgen Ehlers: Gedenkansprache zur Feierstunde anläßlich der Enthüllüng der Gedenktafel für Albert Einstein am Portal des Akademieflügels der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz am 25. November 1994, Berichte und Abhandlungen / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wissenschaften) Bd. 1, Akademie Verlag GmbH, Berlin, 1995, S. 304-308 | |
[4] | Gerhard Ertl: Eröffnungsansprache zur Feierstunde anläßlich der Enthüllüng der Gedenktafel für Albert Einstein am Portal des Akademieflügels der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz am 25. November 1994, Berichte und Abhandlungen / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (vormals Preußische Akademie der Wissenschaften) Bd. 1, Akademie Verlag GmbH, Berlin, 1995, Berlin, S. 299-303 | |
[5] | Martin Grötschel: Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) und die Mathematik, Mathematischer Ort des Monats Oktober 2015 | |
[6] | Wolfgang Volk: Porträtwand mit Arnold Sommerfeld und Albert Einstein in Berlin-Dahlem, Mathematischer Ort des Monats Januar 2021 | |
[7] | Wolfgang Volk: Berliner Gedenktafel für Albert Einstein in Berlin-Dahlem, Mathematischer Ort des Monats Juni 2021 |
Bildnachweis
alle Fotografien | Wolfgang Volk, Berlin, März 2022 |
1) Der andere Standort befindet sich gegenüber dem
Kulturforum mit der postalischen Adresse Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin.
2) Im Jahr 1237 wird Cölln erstmals urkundlich
erwähnt. Dies gilt offiziell als Jahr der Gründung der Stadt, die sich aus den zwei
Kaufmannssiedlungen Berlin und Cölln, beiderseits der Spree gelegen, gebildet hat.
Demzufolge wurde 1987 der 750. Geburtstag begangen.
3) Heinz Rodewald hat verschiedene Motive für
Münzen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) entworfen, unter anderem auch –
zusammen mit Wilfried Fitzenreiter – die Münze, die anlässlich des
100. Geburtstag von A. Einstein mit dem Nennwert 5 Mark am 26. Februar 1979 herausgegeben
wurde.
4) Diese Information auf der
Homepage der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
(BBAW) lässt sich nicht unmittelbar erreichen, weshalb die Bedienelemente der
Benutzeroberfläche im Titel der Referenz integriert ausgewiesen sind.