Mathematiker des Monats Juli 2015
August Leopold Crelle (1780-1855)
Seit 1826 erscheint das Journal für die reine und angewandte Mathematik, Crelles Journal,
wie es seit nunmehr fast zweihundert Jahren nach seinem ersten Herausgeber kurz genannt wird.
Im Juli 2015 erscheint Heft 704. Wer war dieser Mann, der so erfolgreich zum ersten Mal in
Deutschland auf Dauer eine führende Zeitschrift für mathematische Veröffentlichungen begründete?
August Leopold Crelle wurde am 11. März 1780 in dem kleinen brandenburgischen Ort Eichwerder
bei Wriezen am Eingang zum Oderbruch als Sohn des königlichen
Deichinspektors Christian Gottfried Crelle geboren.
Angesichts beengter finanzieller Verhältnisse zu Hause konnte er nicht an einer Universität studieren.
Er war wesentlich Autodidakt mit einem starken Interesse an der Mathematik und technischen Anwendungen.
Er ließ sich zum Zivilingenieur ausbilden, wurde preußischer Staatsbeamter, zunächst im Ministerium des Inneren.
So wurde er für den Straßenbau zuständig, aber auch für die
Berlin-Potsdamer Eisenbahn.
Daran erinnert die Gedenktafel am Haus Potsdamer Straße 172 in Berlin-Schöneberg.
Schließlich wurde er 1815 Geheimer Oberbaurat und Mitglied der Oberbaudirektion.
Ein Jahr später wurde er von der Universität Heidelberg mit der mathematischen Dissertation
„De calculi variabilium in geometria et arte mechanica usu“
(über den Gebrauch des Variablenkalküls in der Geometrie und Mechanik) promoviert.
Gedenkstein für A. L. Crelle in Eichwerder1)
1828 wechselte er ins Kultusministerium, wo er Lehrpläne für den Mathematikunterricht an Gymnasien zu entwerfen hatte.
Es war das Jahr, in dem er zum Mitglied der
Preußischen Akademie der Wissenschaften gewählt wurde.
Ohne selbst schöpferischer Mathematiker zu sein, veröffentlichte er vierundvierzig eigene Aufsätze zur Mathematik
in dem von ihm gegründeten Journal, verfasste mathematische Lehrbücher, ein Rechentafelwerk und
übersetzte Werke von Legendre und Lagrange.
Seine entscheidende Lebensleistung war die Gründung des nach ihm benannten Journals, das freilich –
anders als es der Titel vermuten lässt – auf reine Mathematik spezialisiert war.
Für die Baukunst gab er Jahre lang ein besonderes Journal heraus.
Crelles Journal wurde schnell eine der führenden mathematischen Zeitschriften.
Mit feinem Gespür für junge, mathematische Talente gewann er die Mitarbeit von Niels Henrik Abel,
Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet,
Hermann Graßmann,
Carl Friedrich Gauß,
Carl Gustav Jacob Jacobi, Ernst Eduard Kummer,
August Ferdinand Möbius,
Julius Plücker und vielen anderen, also der Elite der mitteleuropäischen Mathematiker.
Er setzte erhebliche, eigene finanzielle Mittel zum Aufbau der Zeitschrift ein
und förderte nach Kräften die wissenschaftliche Laufbahn von Mathematikern.
So war er an der Berufung von Karl Weierstraß nach Berlin beteiligt und setzte sich,
schließlich erfolgreich, für eine Berufung von Abel nach Berlin ein.
Freilich kam die ministerielle Zusage zu spät. Abel war kurz zuvor, am 6. April 1829, verstorben.
Seinen Plan, ein Polytechnisches Institut in Berlin zu gründen, konnte Crelle nicht verwirklichen.
Er starb am 6. Oktober 1855 in Berlin. Die Herausgabe des Journals übernahm Karl Wilhelm Borchardt,
nach Borchardts Tod gemeinsam Leopold Kronecker und Karl Weierstraß.
Die heutigen vier Herausgeber sind Tobias Colding, Joachim Cuntz, Daniel Huybrechts und Jun-Muk Hwang.
Referenzen
[1] | Kurt-Reinhard Biermann: Urteile A. L. Crelles über seine Autoren, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik 203 (1960), 216 - 220 (mit Bildnis) | |
[2] | Wolfgang Eccarius: August Leopold Crelle als Herausgeber des Crelleschen Journals, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik 286/287 (1976), 5 - 25 | |
[3] | Wilhelm Lorey: August Leopold Crelle zum Gedächtnis, in: Journal für die reine und angewandte Mathematik 157 (1927), 3 - 11 | |
[4] | Christoph J. Scriba: Crelle, August Leopold, in: Dictionary of Scientific Biography 3 (1971), 466f |
Bildnachweis
Porträt | Museen Tempelhof-Schöneberg von Berlin / Archiv | |
Gedenkstein | Wolfgang Volk, Berlin, Gedenkstein zur Erinnerung an August Crelle in Eichwerder |
1) Der oben im Bild wiedergegebene Gedenkstein wurde am 18. November 2000 in Eichwerder,
dem Geburtsort von August Leopold Crelle, feierlich enthüllt. Die Begrüßungsansprache hielt der Mathematiker
Prof. Wolfgang Gaschütz, der diesen Gedenkstein zusammen mit dem Verlag
Walter de Gruyter und der
Deutschen Mathematiker-Vereinigung
stiftete. Seine Rede ist in den Sitzungsberichten der
Berliner Mathematischen Gesellschaft
(Jahrgänge 1997 - 2000) auf den Seiten 381 - 383 publiziert.
Den Festvortrag hielt Herr Prof.
Peter J. Roquette
(Universität Heidelberg). Diese
Rede ist im gleichen Band der Sitzungsberichte auf den Seiten 385 - 390 abgedruckt;
sie ist aber auch als Datei
im Format PDF verfügbar.